Leistungsschutzrecht: Bundesregierung verweigert Evaluierung

Zu unserer erneuten Kleinen Anfrage zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger und den Antworten der Bundesregierung erklärt Tabea Rößner:

„Die Antworten der Bundesregierung sind nicht nur enttäuschend, sondern mittlerweile eine Unverschämtheit. Wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode kann sie weder neue Erkenntnisse aus der von ihr versprochenen Evaluierung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger vorlegen, noch überhaupt sagen, wann diese erfolgen soll.

Die Antworten offenbaren die Untätigkeit der Bundesregierung: Wer mit der Evaluation in ihrem Hause wie lange beschäftigt ist – völlig unklar. Dafür würden die Mitarbeiter die umfängliche „in- und ausländische Literatur“ durchstöbern. Offensichtlich ist nur, dass die Lektüre bisher zu nichts geführt hat. So kann die Bundesregierung zu einem zentralen Punkt, ob Grundfreiheiten betroffen sein könnten, keine Einschätzung geben. Verwunderlich ist auch, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die praktischen Erfahrungen auswerten sollen, ohne sich mit Externen dazu auszutauschen bzw. endlich einmal Schlüsse aus der Konsultation der Stakeholder im Herbst (!) vergangenen Jahres zu ziehen.

Mit keinem Wort kann die Bundesregierung nach Monaten der angeblichen Beschäftigung mit dem Thema darlegen, dass das anvisierte Ziel der Gewährleistung eines gut funktionierenden Marktes für die Verwertung von Werken und anderen Schutzgegenständen auch nur ansatzweise sichergestellt werden konnte. Die Bundesregierung zeigt sich vielmehr stur, denn die umfassende Kritik an dem Leistungsschutzrecht ist hinlänglich bekannt.

El Pais, eine der größten spanischen Tageszeitungen, erklärte das Gesetz für gescheitert und kontraproduktiv und hatte eine Abkehr angemahnt. Die Befürchtung, das Gesetz drohe gerade für kleine und spezialisierte Online-Medien eine Innovationsbremse zu sein, scheint sich zu bewahrheiten. Auch an anderer Stelle legt man den Finger in die Wunde: Das Landgericht Berlin vermutete zuletzt gravierende verfahrensrechtliche Fehler des deutschen Leistungsschutzrechts wegen fehlender Notifizierung.

Die Bundesregierung hat sich bezüglich der Einführung eines Leistungsschutzrechts auf EU-Ebene auch nicht mit weiteren gravierenden rechtlichen Fallstricken auseinandergesetzt, die ein vom eco beauftragtes Gutachten aufzeigt: Danach überschreite die EU-Kommission damit sowohl selbst definierte Grenzen als auch ihre Binnenmarktkompetenz, das Gesetz sei weder mit der E-Commerce-Richtlinie noch mit europäischen Grundrechten vereinbar.

Ganz im Gegenteil scheint man von alledem unbeeindruckt an den Plänen eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger hierzulande und auf europäischer Ebene festzuhalten.

Es besteht nur noch die Hoffnung, dass Oettingers Projekt an den eigenen Leuten scheitert: Die zuständige Verhandlungsführerin Therese Comodini Cachia lehnt in ihrem Bericht ein europäisches Leistungsschutzrecht komplett ab. Und auch in der sozialdemokratischen Fraktion formiert sich Widerstand.

Während die Lebenserhaltungsmaßnahmen für dieses schädliche Gesetz nicht nur unendlich viel Energie, sondern mittlerweile auch immense Haushaltsmittel bindet, hätte die Bundesregierung – wie auch die Verlage – auf anderen Wegen bereits viel mehr erreichen können zum Beispiel durch Erleichterungen, wie Steuerermäßigungen, Vorschläge für Stiftungsfinanzierungen und einem öffentlichen Diskurs über den Wert von Journalismus. Auch die Verlage täten gut daran, eine Kooperation mit den vermeintlichen Gegnern Google & Co. anzusteuern und die digitale Strategie, die erste Früchte tragen, auszubauen. Bei alledem darf man die Urheberinnen und Urheber – die kreative Kraft hinter der eigentlichen Leistung – nicht vergessen: Sie müssen bei jeglichen Plänen in jedem Fall spürbar partizipieren.“

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