Befragung von Verbraucherschutzministerin Lambrecht zur Vorkasse bei Flugreisen

Die Thomas-Cook-Pleite hat deutlich gezeigt, dass die bestehende Absicherungsregelung des Staates absolut nicht ausreicht und Steuerzahler*innen im Zweifel einspringen müssen, um ein solches Reiseunternehmen zu retten. Dass die Erstattungssummen so immens hoch sind, liegt daran, dass Reisende sowohl bei Pauschal- als auch bei Flugreisen in Vorkasse gehen müssen. Ich hatte die Verbraucherschutzministerin Lambrecht bereits vor einem Jahr am 11. Dezember 2019 zu dem Thema befragt. Da ich den Eindruck habe, dass sich bisher nicht besonders viel getan hat im Reisebereich, um die Interessen der Verbraucher*innen zu stärken, habe ich in der Regierungsbefragung bei Bundesministerin Lambrecht noch einmal nachgefragt. Sie hat eingeräumt, dass insbesondere das Prinzip der Vorkasse bei Flugreisen überdacht und gegebenenfalls verändert werden muss. Ich bin skeptisch, ob sie da tatsächlich aktiv werden wird, um sich stärker für die Verbraucher*innen einzusetzen.

Hier ist meine Nachfrage zu einer Frage eines Abgeordneten der Union und der Wortwechsel zwischen der Ministerin und mir im Rahmen der Regierungsbefragung am 04. November 2020 im Wortlaut:

Paul Lehrieder (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Ministerin, die Reisebranche – Reisebüros und Reiseveranstalter – befindet sich momentan in einem extrem schwierigen Fahrwasser, nicht erst seit Corona, aber diese Branche leidet unter Corona mit am heftigsten, mit am stärksten. Ich möchte eine Frage stellen zu einem Vorgang, der schon vor Corona akut war: Wir hatten vor etwa 15 Monaten, im Sommer 2019, nach der Insolvenz von Thomas Cook das Problem, dass die Anzahlungen der Kunden im Rahmen der bisherigen Versicherungslösung im Bereich des Pauschalreiserechts nicht ausreichend zurückgezahlt werden konnten. Das Finanzministerium hat die Entschädigung im Fall Thomas Cook übernommen. Jetzt ist meine Frage, bis wann wir mit einer Neuregelung der Insolvenzabsicherung im europäischen Pauschalreiserecht rechnen können. Die Branche wartet darauf. Wir sind eine leistungsfähige und leistungswillige Große Koalition. Gleichwohl will ich nicht verhehlen, dass sich auch für uns im nächsten Jahr irgendwann das Zeitfenster für die Schaffung einer neuen Regelung schließt, auf die die Reisebranche insgesamt, aber auch die Verbraucher warten.

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz:

Vielen Dank für diese Frage. Aus genau diesem Grund treffe ich mich heute Abend mit dem Kollegen Altmaier um darüber zu sprechen, wie man einen Fonds, über den wir nachdenken, ausgestalten kann. Sie haben völlig zu Recht angesprochen, dass dieses Thema schon vor Corona akut war. Wir haben bei Thomas Cook erleben müssen, dass die versicherungsrechtliche Absicherung nicht ausgereicht hat. Das war ja der Grund dafür, dass der Staat, der Steuerzahler, in die Verantwortung gegangen ist; das war nicht das Geld des Finanzministeriums, sondern das Geld des Steuerzahlers. Wir haben hart darum gerungen. Danach habe ich mehrere Varianten durchgespielt. Eine Variante, um die EU-Pauschalreiserichtlinie umzusetzen, wäre: Wir sehen bei den Versicherungen gar keinen Deckel mehr vor; der ist ja momentan drauf. Dann wäre es aber schwierig geworden, Versicherer zu finden. Deswegen wollen wir jetzt eine Fondslösung aufstellen. Aber man muss fragen, auch bedingt durch die nochmalige Verschärfung in den letzten Wochen und Monaten: Wer zahlt in diesen Fonds ein? Die Unternehmen, die jetzt schon in einer sehr schwierigen Situation sind? Das wird problematisch sein. Die Reisenden? Die buchen momentan keine Reisen; das ist ebenfalls schwierig. – Von daher sind wir zurzeit im Austausch darüber, wie man gerade in der Anfangsphase einen solchen Fonds füllen kann. Ich kann Ihnen versichern: Ich habe das Versicherungsjahr ganz fest im Blick. Eine Wiederholung der Situation bei Thomas Cook darf es nicht geben.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Danke sehr. Die Frau Kollegin Rößner, Bündnis 90/Die Grünen, hat eine Nachfrage.

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte daraufhin einmal nachfragen. Nach neuesten Berichten soll nun auch der Touristikkonzern FTI in eine finanzielle Schieflage geraten sein und mit Steuergeldern gerettet werden. Es gibt Berichte darüber, dass auch milliardenschwere Hilfen für die Sicherung von Flughäfen in Aussicht gestellt wurden. Bei allem Verständnis für die Touristikbranche: Im Oktober warteten immer noch 650 000 Flugreisende auf ihren Erstattungsanspruch. Müsste da nicht endlich auch die Vorkasse bei Flügen beschränkt werden, um die Flugreisenden und letztlich auch den Steuerhaushalt bei etwaigen Ausfällen zu entlasten?

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz:

Flugreisen stehen jetzt aber nicht im Zusammenhang mit der Pauschalreiserichtlinie – isolierte Flugreisen sind davon nicht erfasst –, sondern da geht es um Pauschalreisen, also um das, wonach der Kollege gefragt hat. Aber ich gebe Ihnen völlig recht: Wir müssen auch hinterfragen, ob es tatsächlich erforderlich ist, schon mehrere Wochen im Voraus die Anzahlung zu leisten. Ich kann aus unternehmerischer Sicht durchaus nachvollziehen, dass es nicht möglich ist, quasi erst am Reisetag zu bezahlen; denn so kann man nicht planen, so kann man nicht entsprechende Hotelkapazitäten usw. vorhalten. Diese Fristen sind mit zu überdenken – da gebe ich Ihnen absolut recht –, auch aus Verbraucherschutzinteressen.

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