Rede zur EU-Urheberrechtsreform am 13.03.2019
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit ACTA und TTIP gab eskeine EU-Initiative, die so viele Menschen zum Protest auf die Straße getriebenhat wie die Urheberrechtsreform. Das liegt daran, dass dieser Kompromiss,Kollege Lange, kein Kompromiss ist. Es ist eben kein breiter Konsens gefunden,und er ist auch kein Ergebnis einer produktiven parlamentarischenAuseinandersetzung, und selten ist von der Seite der Bundesregierung soherumgeeiert worden wie bei dieser Reform.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was heißt es, ein modernes Urheberrecht in einer zunehmenddigitalisierten Welt zu gestalten? Es müssen die Interessen aller Beteiligtenfair ausgeglichen, sowohl Nutzer als auch Verwerter und Urheber berücksichtigtwerden. Die Regelungen dürfen nicht über das Ziel hinausschießen. Es mussweiter möglich sein, Inhalte zu teilen, und zwar legal.
Kreative, Kulturschaffende, Urheberinnen und Urheber müssen angemessen vergütet werden. Ohne ihre Inhalte wäre das Netz leer. Ohne angemessene Vergütung können die Inhalte, die wir so gerne teilen, nicht produziert werden. Letztlich nützt es den Nutzern nichts, wenn es nichts zu nutzen gibt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es macht natürlich wütend, wenn große Internetkonzerne mit fremdenInhalten Kohle machen. Viele Internetkonzerne reagieren ja nicht einmal, wennUrheberrechtsverletzungen angezeigt werden.
(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Ja! Merken Sie das?)
Diesen Ärger verstehe ich gut.
Warum ist der Richtlinienentwurf trotzdem falsch? Er schafftRechtsunsicherheit. Die Internetgiganten mögen vielleicht adressiert sein. Abersie können ganze Abteilungen einrichten, um Lizenzierungen auszuhandeln. Fürkleine oder mittlere Plattformen, auf die die Ausnahmen nicht zutreffen, istdas weitaus schwieriger. Sie sehen sich dem Haftungsrisiko ausgesetzt undwerden im Zweifel Upload-Filter einsetzen, und diese sind höchst fehleranfällig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Stellen Sie sich vor, Sie machen ein Video von einer Veranstaltung,das Sie gerne verbreiten wollen, das aber nicht hochgeladen wird, weil dieMusik im Hintergrund als urheberrechtlich geschützt erkannt wird. Viele Menschenhaben die berechtigte Sorge, dass das bei vielen – auch legalen – Inhaltenpassieren kann, und sehen darin eine Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit. Dasdarf nicht sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zudem können die Filter Satire oder Zitate nicht erkennen, und siemüssen auch noch teuer von den Giganten eingekauft werden. Das heißt, Sieverschaffen den großen Playern, die Sie ja eigentlich an die Kandare nehmenwollen, ganz en passant noch ein Geschäftsmodell. Wollen Sie das wirklich?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dass im Koalitionsvertrag Upload-Filter als unverhältnismäßigabgelehnt werden und jetzt gesagt wird: „Sie stehen ja nicht drin“, finde ichziemlich peinlich.
(Manuel Höferlin (FDP): Semantik ist das! Nichts anderes!)
Es fördert das Misstrauen gegenüber derPolitik, wenn die Menschen das Gefühl haben,
(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Weil Sie den Menschen Angst machen!)
dass es egal ist, was im Koalitionsvertragsteht, weil die Koalition eh macht, was sie will.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Rabanus (SPD): Weil die Grünen das erklären, stimmt es doch noch nicht!)
Was fehlt, sind hilfreiche Vorschläge für ausgewogene, durchdachteund praxisnahe Regelungen abseits vom Leistungsschutzrecht und vonUpload-Filtern, und da hat die Regierung komplett versagt. Sie ist ja nichteinmal bereit, das Leistungsschutzrecht in Deutschland zu evaluieren, wasüberfällig wäre, vor allem, weil man das Gesetz auf die EU-Ebene „drücken“will. Sie hätten dann vielleicht gesehen, dass es den Urhebern bisher überhauptnichts gebracht hat.
Es gibt Denkansätze, bei denen sich alle Seiten aufeinander zubewegen. Die Vorschläge von Professor Leistner von der Uni Münchenbeispielsweise bieten eine gute Basis für die Lösung des Konflikts um geringfügigeNutzungen in der Onlinekommunikation.
Mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf bleibt aber ungelöst, wieLizenzierungen praktikabel durchgeführt werden können. Das Problem vonunzureichenden Filtersystemen wird nicht gelöst, und die Rechte von Kreativenwerden nicht gestärkt. Diese Richtlinie ist jedenfalls keine ausreichendeGrundlage für die vergütete Nutzung von Musik, Filmen oder Texten für dienächsten 15 Jahre.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das haben inzwischen auch Ihre eigenen Leute gemerkt. Die JungeUnion Hamburg positioniert sich deutlich gegen Artikel 13. JustizministerinBarley würde den Kuchen gerne in der Hand behalten und gleichzeitig aufessen.Herr Staatsminister, Sie sind in Brüssel doch eingeknickt,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD – Alexander Graf Lambsdorff (FDP): Wie Boris Johnson!)
und die Staatsministerin Bär versucht alsRésistance auf den Barrikaden, den Beschluss abzuwehren. Sie alle scheitern ander Kanzlerin, die sich weder von den Protesten Tausender – übrigens auchvieler junger Menschen –
(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Falsch Informierter!)
noch von den Warnungen desUN-Sonderberichterstatters, der eine Gefahr für die Meinungs- undPressefreiheit sieht, beeindrucken lässt.
Ehrlicherweise muss man sagen, dass auf beiden Seiten ordentlichaufgerüstet wurde. Die Entwürfe von Volker Rieck, der Tweets von Abgeordnetenaus Brüssel als „Bots“ klassifiziert, sind genauso wenig hilfreich wieYouTuber, die den Gesetzestext nie gelesen haben und lautstark den Tod desInternets verkünden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie bitte an die Redezeit.)
Ich komme zum Schluss.
So ungeschickte Manöver wie das von Manfred Weber, der dieAbstimmung mal eben vorziehen wollte, haben das Ganze noch angeheizt.
(Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Ist ja nicht richtig!)
Das ist ganz schön traurig.
Alle guten Ansätze machen Sie mit den beiden Artikeln 11 und 13zunichte, und deshalb dürfen diese beiden Artikel nicht beschlossen werden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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