Grüner wird’s nicht von allein. Mehr Nachhaltigkeit im Kino und der Filmproduktion

Deutschland hat sich zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens bekannt. Das erfordert eine ambitionierte Klimapolitik, und zur Erreichung dieses Ziels müssen alle Wirtschaftsbranchen ihren Beitrag für eine deutliche CO2-Reduktion leisten. Die Filmbranche (Umsatz von jährlich rund 8 Milliarden Euro) stellt einen großen Wirtschaftsfaktor dar und gilt zudem als sehr ressourcenintensiv. Wenn es um Unterhaltung geht, dann drücken wir allzu oft ein Auge zu. Aber Unterhaltung und Klimaschutz schließen sich nicht aus. Daher sind gerade auch die Produktionsfirmen gefordert, ihren aktiven Beitrag zu leisten, um CO2-Emissionen zu senken. Dies trifft aber auch auf die Kinos zu. Zwei öffentliche Anhörungen zum Thema „Nachhaltigkeit in der Filmproduktion“ sowie „nachhaltige Medienproduktion“ des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung führten 2017 interfraktionell zu einer Verständigung darüber, dass Anreize für Nachhaltigkeit geschaffen werden und Maßnahmen in diesem Bereich gefördert werden müssen. Getan wurde bisher nichts, sondern die Haushaltsanträge der grünen Bundestagsfraktion zur Anreizförderung von Nachhaltigkeit in der Filmbranche erneut abgelehnt. Die Berücksichtigung „ökologischer Belange“ wurde auch bei der Novellierung des Filmförderungsgesetzes 2017 als Aufgabe der Filmförderungsanstalt in den Aufgabenkatalog aufgenommen. Dennoch hat die FFA bisher keine Richtlinien erarbeitet. Zeit, das Thema auf der Agenda stärker zu betonen.

Daher lud ich zusammen mit der grünen Bundestagsfraktion zum Fachgespräch ein. Am Nachmittag des 24. Januar 2019 kamen Experten aus der Branche zusammen und diskutierten, wie man den Film und seinen Abspielort nachhaltiger gestalten kann.


Grünes Kino muss die gesamte Wertschöpfungskettemitdenken

Als Experten für das „Grünes Kino“ warenKorina Gutsche in ihrer Rolle als Projektleiterin “Kino.natürlich“ der AGKino-Gilde e.V., Birgit Heidsiek als FFA-Beauftragte Grünes Kino undHerausgeberin des Magazins „Green Film Shooting“, Christian Pfeil, Geschäftsführerder Arena Filmtheater BetriebsGmbH, und Walter Spruck vom Institut fürNachhaltigkeit in Kultur und Tourismus und Berater der Cineplex-Gruppe vor Ortgeladen. Darüber hinaus war das Fachgespräch sehr gut besucht. Ich durfte Vertreter*innenaus vielen Gewerken begrüßen, ebenso Produzent*innen, Kinobetreiber*innen, SKYDeutschland, aber auch Vertreter*innen der Filmförderungsanstalt sowie aus demUmweltministerium (BMU), der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur undMedien (BKM) und dem Umweltbundesamt (UBA). Auch Journalist*innen einschlägigerMedien waren vor Ort, unter anderem der Süddeutsche Zeitung, taz, Filmecho undver.di „Menschen Machen Medien“.

Walter Spruck, Tabea Rößner, Birgit Heidsiek, Korina Gutsche, Christian Pfeil

Für ein grünes Kino sind laut Frau Gutsche die Bereiche, Wärme/Isolierung, Beleuchtung, Abfallmanagement und nicht zuletzt die Frage, wie die Menschen zu den Kinos kommen, besonders relevant. Dabei müsse man laut Walter Spruck die komplette Wertschöpfungskette in den Blick nehmen und Vertreter*innen aller Bereich an einen Tisch bringen. Es muss um das gehen, was Frau Heidsiek „Bewusstseinsarbeit“ nannte: Kinomitarbeiter*innen müssen dafür in Nachhaltigkeit geschult werden. Christian Pfeil wies auf die Probleme der kleinen Kinos hin, wenn es um die Förderung ökologischer Maßnahmen gehe. Hier treffe dann Bewusstsein auf Wirklichkeit, denn viele der Maßnahmen seien für kleine Kinos nicht zu finanzieren. Wenn es um Fördersysteme gehe, hätte er die leidvolle Erfahrung gemacht, dass die Kulturförderer Kinos allzu oft als Teil der Wirtschaft begriffen, die Wirtschaft sie aber als Kulturort einstufe. Daher fielen Kinos oftmals durch jedes Förderraster durch.

Insbesondere wurdekontrovers über CO2-Rechner diskutiert. Auf der einen Seite seien diesewichtig, um Vergleichbarkeit herzustellen, und wurden von einem Gast aus demBundesumweltamts als sinnvoll bewertet. Auf der anderen Seite seien sie laut ChristianPfeil zu bürokratisch für kleine Betriebe. Letztendlich geht es aber wohldarum, dass Kinobetreiber*innen in Nachhaltigkeit auszubilden. Ein CO2-Rechnerkann dann motivieren, noch mehr Emissionen einzusparen.

Als Herausforderung für das grüne Kino wurde insgesamt die Digitalisierung identifiziert. Sie hätte die Stromkosten drastisch ansteigen lassen. Green IT müsse immer mitgedacht werden, wenn es um das moderne Kino und die Filmproduktion gehe. Bisher werde das noch zu wenig gemacht. Und wie viele Server noch mit Kohlstrom betrieben würden, wisse keiner.

Grüne Filmproduktion ist mehr als Pappgeschirr ersetzen

In der zweiten Runde ging es umnachhaltige Produktionsweisen und deren Herausforderungen. Als Expert*innen stelltensich Michael Becker vom SWR (LeitungAbteilung Szenische Herstellung, Auftragsproduktionen & Nachhaltigkeit),Philip Gassmann (Green Production Manager, Regisseur und Filmproduzent) und erneutKorina Gutsche, die ebenfalls als Dozentin, Beraterin und ProductionmanagerinSustainability Medien/BLUECHILDFILM tätig ist, der Diskussion.

Michael Becker, Tabea Rößner, Korina Gutsche, Philip Gassmann

Beim nachhaltigen Produzieren gehe es um viel mehr, als nur Pappbecher am Filmset wegzulassen, betonte Philip Gassmann. In allen Bereichen müsse darüber nachgedacht werden, wie die Umwelt geschont werden könne. Er identifizierte die Bereiche Transport und Energie als die großen Drehschrauben. Natürlich sei das Catering ein relevanter Bereich, aber wenn die Hauptdarsteller ständig per Flugzeug anreisten, dann fielen gesparte Strohhalme oder Plastikbecher kaum ins Gewicht. Dies führte zurück zur CO2-Rechner-Diskussion und veranschaulichte die Schwäche eines solchen Rechners. Denn es würde nicht differenziert aufgeführt, wo große CO2-Posten anfielen.

Finanzierung als Schwierigkeit

Langfristig werde nachhaltiges Produzieren nicht teurer sein, im Gegenteil, es könne Kosten sparen (LED-Beleuchtung verbraucht weniger Strom, Erdgas-LKWs oder Elektro-Fahrzeuge sind günstiger pro Kilometer). Allerdings gebe es derzeit kein Nachfrage-, sondern ein echtes Angebotsproblem. Die Anschaffung neuer Technik sei sehr kostenintensiv und für die Verleiher ein hohes Risiko, welches sie finanziell oftmals nicht alleine stemmen könnten. Hier brauche es eine Anschubfinanzierung. Das Risiko dafür sollte aber nicht alleine bei den Verleihern liegen. Fazit aus dem Gespräch: Die Förderung ökologischer Produktionsweisen muss auch in den Haushalten abgebildet werden. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Ihm, der der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet ist, muss eine nachhaltige Produktionsweise ermöglicht werden.

Auf die Frage von Tabea Rößner, ob denn die vielen Landesfilmförderungen zu einem ökologisch problematischen „Fördertourismus“ führten, sagte Birgit Heidsiek, dass die durch Deutschland reisenden „Rucksackproduzenten“ tatsächlich ein Problem seien. Aber diese Strukturen seien nun einmal historisch gewachsen und es gelte da pragmatische Lösungen zu finden.

Knowhow als Herausforderung

Woher wissen Filmschaffende aber überhaupt, welcher nachhaltige Anbieterauf dem Markt ist? Es bestand einhellig die Meinung, dass eine Datenbank her muss.Dabei sind jedoch die relevanten Fragen: Wer finanziert und pflegt diese? Dazumüssen aber auch Zertifizierungen etabliert werden. Zu dieser Thematik ließ dasBMU verlauten, dass über eine Zertifizierung ähnlich dem Blauen Engelnachgedacht werde.

Besonders wichtig sei aber auch, dass am Set eine Fachkraft für ökologische Belange zuständig sei. Sowohl Michael Becker als auch Philipp Gassmann wünschen sich die verstärkte Ausbildung von Green Consultants im Filmbereich. Junge Filmemacher*innen erhalten immer häufiger Nachhaltigkeitsschulungen im Rahmen ihres Studiums. Wenn sie dann aber ans Set kämen, wäre dort business as usual. Es brauche daher eine Schulung aller am Film Beteiligten. Dankbar wurde ein Vorschlag aus dem Publikum aufgenommen, dass die einzelnen Gewerke auf ihren Plattformen Schulungen anbieten. Die Idee dabei ist, dass der grüne Berater ein eigenes Gewerk werden müsse.

Green Storytelling

Ein Gedanke wurde im Hinblick auf ein stärkeres Bewusstsein geäußert: Nachhaltigkeit sollte auch den Weg in die Geschichten finden. Einen Fahrrad fahrenden Tatortkommissar gibt es neben Kommissar Thiel aus Münster nur in Drehbuchseminaren.

Packen wir es an

Insgesamt hat das Fachgespräch Mut gemacht, dass die Filmbranche einigeszum Klimaschutz beitragen kann. Es wurden konkrete Hürden für Nachhaltigkeitangesprochen und teilweise Lösungsvorschläge entwickelt. Expert*innen und Gästegingen nach vier Stunden inspiriert und voller Tatendrang auseinander. Immerhinhat auch das Bundesumweltministerium zusammen mit dem BKM zu einer Konferenz amRande der Berlinale eingeladen. Es lässt hoffen, dass Grünes Kino undGreenfilming stärker in den Fokus kommt. Packen wir es an!

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