Vorschläge zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks höchst problematisch

Anlässlich der Vorschläge zur Reform von Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erklärt Tabea Rößner, Medienpolitikerin der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

 

„Die Vorschläge sehen eine fundamentale Änderung unseres Rundfunksystems vor und bergen die große Gefahr, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlich zu schwächen. 

Nach dem Vorschlag von sechs Bundesländern sollen nur noch wenige Altangebote verpflichtend durch die Länder beauftragt werden. So sollen die Sender unter Einschaltung ihrer Gremien verstärkt „autonom“ bestimmen können, welche Angebote sie ihren Nutzerinnen und Nutzern machen. Diese Autonomie könnte sich allerdings in Verbindung mit der vorgeschlagenen Vollindexierung des Rundfunkbeitrags als vergiftetes Geschenk erweisen. Wenn die Vollindexierung dazu führen sollte, dass Angebote der Anstalten nicht mehr zu finanzieren sind, wird den Sendeanstalten unter dem Signum dieser Angebotsautonomie der Schwarze Peter für anstehende Streichungen zugeschoben, während die Länder sich aus der Verantwortung ziehen. Auch zukünftige Neuangebote, soweit sie überhaupt finanzierbar wären, hätten die Anstalten gegenüber der Gesellschaft selbst, ohne Rückendeckung der Länder, zu verantworten. Zudem stellt sich die Frage, ob die vorgeschlagene Vollindexierung des Rundfunkbeitrags überhaupt der verfassungsrechtlichen Garantie einer funktionsgerechten Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerecht wird. Nach dieser Garantie sind alle funktionserforderlichen Angebote zu finanzieren, wobei die Funktionserforderlichkeit allein nach publizistischen und nicht nach finanziellen Kriterien zu ermitteln ist.

Dass es überhaupt zu einer eigenen Initiative von sechs Bundesländern gekommen ist, lässt im Übrigen die Frage aufkommen, ob das Vorsitzland der Länderrundfunkkommission die integrierende Kraft aufbringen kann, die notwendig ist, um 16 Bundesländer in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu einer gemeinsamen Medienpolitik zu einigen.

Auch die Vorschläge für eine Neufassung der Regelungen zur Presseähnlichkeit im Rundfunkstaatsvertrag sind höchst problematisch, wenn nicht sogar verfassungswidrig. Demnach soll das Verbot der Presseähnlichkeit nicht fallen, sondern wird eher noch manifestiert. Dem Verbot folgen positive Vorgaben, wie die Angebote inhaltlich und formal zu gestalten sind (Bewegtbild oder Ton). Das ist ein Eingriff in den Kernbereich der Programmautonomie, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zentral für die Rundfunkfreiheit steht. Dabei steht infrage, ob die Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, in denen Werbung ohnehin verboten ist, überhaupt für die kritische Situation der Presse verantwortlich sind, die selbst mit einer Kostenlos-Strategie begonnen haben, die jetzt die Etablierung von erfolgreichen Refinanzierungsmodellen im Hinblick auf ihre Online-Angebote erschwert.

Überaus kritisch ist die Schlichtungsstelle zu betrachten, die aus Vertreterinnen und Vertreter der Rundfunkanstalten sowie der Presse besetzt werden soll. Dass Pressevertreter so über die konkrete Umsetzung des öffentlich-rechtlichen Auftrags entscheiden dürften, ist geradezu ein absurder Vorschlag und verfassungsrechtlich wie ggf. auch unionsrechtlich problematisch.

Diese Regelungen sind vielleicht dafür gut, zunächst „Frieden“ zwischen den zerstrittenen Parteien herzustellen. Sie bedeuten aber einen Rückschritt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Als GRÜNE haben wir immer die Notwendigkeit gesehen, den öffentlich-rechtlichen  Rundfunk fit für die Zukunft zu machen und mehr Möglichkeiten für die Erfüllung des Funktionsauftrags im Internet zu eröffnen. Überall – im In- auch im Ausland – wird darüber diskutiert, wie angesichts der enormen Umwälzungen in der Medienlandschaft, im Kommunikations- und Informationsverhalten der Menschen und Gefahren von Desinformation und Missbrauchs- und Manipulationsversuchen der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestärkt werden muss, damit der freie und demokratische Meinungsbildungsprozess auch im Digitalen sichergestellt wird.

Wir sollten auch endlich mit der Mär aufräumen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die zum Teil schwierige Situation der Presseverlage verantwortlich sei. Der Blick in die USA beispielsweise, wo es ein öffentlich-rechtliches Angebot fast nicht gibt, zeigt, dass auch dort die Presse unter Druck steht. Wir sollten daher unsinnige Beschränkungen bei der Auftragserfüllung im Internet aufheben (7-Tage-Regelung, Verbot der Presseähnlichkeit) und ihm keine weiteren Ketten anlegen.“

 

 

 

 

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