Rede zur Aktuellen Stunde am 07. Juni 2018: Datenschutzgrundverordnung

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man der Abgeordneten der AfD so zuhört, könnte man meinen, das Abendland sei kurz vor dem Untergehen.

(Saskia Esken (SPD): Ist schon untergegangen!)

Es ist schon erstaunlich, dass die Datenschutz-Grundverordnung ausgerechnet Ihnen jetzt plötzlich so wichtig ist. Wo waren Sie denn von der AfD, als die Verordnung im EU-Parlament verhandelt wurde?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beatrix von Storch (AfD): Wir haben als Einzige dagegen gestimmt!)

Statt sich ins Gesetzgebungsverfahren einzubringen, haben die EP-Abgeordneten der AfD in jeder Sitzung mit Abwesenheit geglänzt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

und das über viele Jahre hinweg.

(Dr. Jens Zimmermann (SPD): Zu viele doppelte Mitgliedschaften! – Zuruf von der FDP: Die waren an der Theke!)

Und statt die Chance zu nutzen, für die Sie gewählt wurden, krakeelen Sie jetzt im Nachhinein rum. Das ist ganz schön armselig, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Ganz offensichtlich haben Sie sich die Datenschutz-Grundverordnung nicht gründlich angeschaut; denn sonst würden Sie hier nicht so einen Unsinn verbreiten.

(Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Genau!)

Fakt ist: Alles, was aus Brüssel kommt oder wo „Verordnung“ draufsteht, ist Ihnen ein Dorn im Auge. Sie sind dagegen. So funktioniert Politik machen aber nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir vertreten hier im Bundestag alle Menschen in diesem Land, und die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger interessiert sich nun einmal auch noch für eine Menge anderer Themen als für Ihre Hetze oder Fremdenfeindlichkeit.

(Tino Chrupalla (AfD): Wir reden jetzt über etwas anderes!)

Das Thema Datenschutz betrifft die Menschen überall in ihrem Alltag, zum Beispiel wenn Sie Spamnachrichten bekommen und nicht wissen, woher die Absender ihre E-Mail-Adresse haben, oder wenn sie in den Nachrichten lesen müssen, dass Facebook Nutzerdaten an chinesische Firmen weitergibt. Die Datenschutz-Grundverordnung bietet Bürgerinnen und Bürgern Schutz vor dem Missbrauch persönlicher Daten, vor diskriminierenden Entscheidungen, zum Beispiel vor der unbegründeten Verweigerung von Krediten – kommt vor – oder vor willkürlicher Überwachung. Das gilt im Großen wie im Kleinen.

Auch in anderen Bereichen ist das übrigens so. In der Gastronomie zum Beispiel gelten dieselben Hygienevorschriften für eine Massenkantine wie für die kleine Pommesbude an der Ecke. Die Vorschriften sind dieselben, und das ist auch richtig so; denn nur so können wir verhindern, dass Menschen mit Lebensmittelvergiftung nach Hause gehen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Am Ende des Tages bietet die Datenschutz-Grundverordnung als einheitlicher europäischer Rechtsrahmen viele Vorteile, gerade auch für deutsche Unternehmen. Wenn Sie sich im außereuropäischen Ausland mal umhören würden, dann würde Ihnen vielleicht auffallen, dass man zum Beispiel in den USA mit Neid und Bewunderung darauf schaut, dass wir einen solch starken Datenschutz europaweit eingeführt haben. Das wird innerhalb kürzester Zeit zu einem Standortvorteil für deutsche Unternehmen werden. Da müssen Sie schon mal über den Tellerrand hinausschauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will gar nicht leugnen, dass die Umsetzung vor zwei Wochen für viele Organisationen, für kleine Unternehmen und auch für die Abgeordnetenbüros im Bundestag ein großer Kraftakt war. Da hätte ich mir gewünscht, die Bundesregierung hätte hier ihren Job richtig gemacht; denn das alles hätte wesentlich geschmeidiger laufen können, wenn die Unternehmen wie auch die Bürgerinnen und Bürger besser unterstützt worden wären. Die Datenschutz-Grundverordnung ist ja nicht einfach vom Himmel gefallen. Es war doch klar, dass die Umstellung für viele Unternehmen und Organisationen einen Kraftakt bedeuten würde. Und es ist der Fehler der Bundesregierung, dass sie die zweijährige Übergangsphase einfach so völlig untätig hat verstreichen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Bundesregierung hätte die Zeit nutzen müssen, um frühzeitig über Änderungen zu informieren und bei der Umsetzung zu unterstützen. Und auch die Aufsichtsbehörden hätte man mit Blick auf die neuen Aufgaben besser ausstatten müssen. Auch das hat die Bundesregierung total verpennt.

Das zeigt auch der neueste Vorstoß: Statt frühzeitig eine grundsätzliche Lösung gegen Abmahnmissbrauch auf den Weg zu bringen, will man die Probleme jetzt im Husch-husch-Verfahren flicken. Im Koalitionsvertrag haben Sie versprochen, etwas gegen den Abmahnmissbrauch zu tun. Jetzt wollen Sie eine Übergangslösung im Omnibusverfahren mit der Musterfeststellungsklage durchschleusen. So kann man ganz sicher keine sinnvollen Regelungen auf den Weg bringen;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Philipp Amthor (CDU/CSU): Doch! Kann man! – Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Doch! Kann man!)

zumal es angesichts der aktuellen Datenskandale fraglich ist, die Maßnahmen der gesamten Datenschutz-Grundverordnung auszusetzen. Wir brauchen dringend differenzierte, nachhaltige und wirksame Ansätze, und dazu werden wir Grüne die richtigen Vorschläge einbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich kann versprechen: Wir werden die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverordnung im Auge behalten, gegebenenfalls nachjustieren. Wenn sich die anfängliche Aufregung erst mal gelegt hat, wird uns die heutige Diskussion vielleicht absurd erscheinen.

(Beatrix von Storch (AfD): Dann muss man nicht nachjustieren, oder?)

Panikmache scheint zwar für manche eine attraktive politische Strategie zu sein, sie ist hier aber fehl am Platz. Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, war das Abendland noch nicht untergegangen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

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