Rede zu Gesetzentwürfen zur Aufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes am 12.12.2017

Rede von Tabea Rößner zu den Gesetzentwürfen der AfD und FDP zur (Teil-)Aufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes TOP Änderung des Telekommunikationsgesetzes TOP 15, 12.12.2017

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, insbesondere von der AfD!

In Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie sich auf die Fahne, den Widerstreit der Meinungen in der öffentlichen Debatte erhalten zu wollen. Das ist von der Zielsetzung her genauso löblich wie bemerkenswert; denn ich kenne keine andere Partei, die in den vergangenen Jahren so häufig vor Gericht gezogen ist, um gegen Meinungsäußerungen vorzugehen, wie die Ihre – übrigens meist erfolglos, und das ist auch gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ansonsten entnehme ich weder Ihrem Gesetzentwurf noch Ihrer Rede eine sachliche Auseinandersetzung mit dieser komplexen Materie. Sie sind einfach nur dagegen. Lösungen schlagen Sie nicht vor. Dabei sind Sie doch angetreten, um zu gestalten.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode in der Tat heftig über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gestritten. Manches an diesem Gesetz ist zu kritisieren:

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

das überstürzte Gesetzgebungsverfahren, das Wegschieben umfassender rechtlicher und verfassungsrechtlicher Bedenken. Das alles hat meine Fraktion benannt. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, wie eine sinnvolle Regulierung aussehen könnte. Wir wollen die viel zu kurzen Löschfristen, unbestimmten Rechtsbegriffe und fehlende Verfahrensregeln angehen, die Overblocking in Kauf nehmen. Es fehlt ein Put-back-Verfahren zum Wiedereinstellen unrechtmäßig gelöschter Inhalte. Die regulierte Selbstregulierung muss genauer herausgearbeitet werden. Die Staatsferne bei der Aufsicht muss gewährleistet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Linke stellt sich anders auf und bringt einige konstruktive Vorschläge ein. Zumindest werden hier die guten Ansätze des Gesetzes erhalten wie die Bußgelder und der Zustellungsbevollmächtigte, der am Ende zum Glück noch eingeführt wurde.

Bei aller Kritik steht doch eines fest: Auf eine Regulierung zu verzichten, bedeutet nicht, Meinungsfreiheit zu erhalten und sachliche Debatten zu fördern. Gegen Verleumdung und Volksverhetzung vorzugehen, ist daher keine Zensur, sondern ein Beitrag zur Zivilisierung des Netzes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Sind es nicht gerade Sie, die immer schnell nach Sicherheit und Ordnung rufen? Sie wollen auf gar keinen Fall rechtsfreie Räume entstehen lassen. Aber in digitalen Räumen wollen Sie nicht einmal Mindestvoraussetzungen für die Einhaltung rechtlicher Regeln. Das bedeutet, dass im Netz strafbare Äußerungen weiter kursieren können, dass Posts, in denen zu Gewalt gegen Personen – einschließlich der Veröffentlichung ihrer Adressen – aufgerufen wird, nicht gelöscht werden müssen. Das ist unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beatrix von Storch (AfD): Das ist Stuss!)

Als Abgeordnete des Deutschen Bundestags haben wir die Verantwortung, Lösungen für dringende und komplexe Probleme zu finden. Aber mehr als ein bloßes Nein wollen oder können Sie offensichtlich nicht liefern. Da fällt es Ihnen schon leichter, undifferenziert auf das vorgebliche Meinungskartell der öffentlich-rechtlichen Sender und Zeitungsverlage einzuschlagen. Bei aller Kritik, die im Einzelnen an diesen Medien geäußert werden kann, sollte eines nicht vergessen werden: Qualitätsjournalismus ist eines der Bollwerke gegen Irrationalität und Verrohung des öffentlichen Diskurses. Er verdient unsere kritische, aber konstruktive Begleitung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und der Abg. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE))

Genauso wie der Staat die Erfüllung der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleisten muss, ist er verpflichtet, die sozialen Netzwerke in die Rechtsordnung des freiheitlichen Rechtsstaates einzubinden. Dieses Feld komplexer Abwägungen taugt übrigens nicht zur populistischen Profilierung durch wen auch immer.

Eine Regulierung, die noch überwiegend aus der analogen Welt stammt, muss gut durchdacht in die digitale Welt transformiert werden. Dabei geht es um den Erhalt von Meinungsfreiheit und um Regeln, die einen demokratischen Meinungsbildungsprozess erst ermöglichen. Es geht um eine offene und pluralistische Debatte in unserer Gesellschaft, angetrieben durch Menschen, die auf Augenhöhe und sachlich miteinander kommunizieren. Lügen und strafbare Äußerungen, deren unzähliges Verbreiten und Teilen – das kann Menschen zerstören – müssen bekämpft werden, ohne den Diskurs abzuwürgen. Das ist eine schwierige Aufgabe, die verlangt, Verantwortung für das Ringen um verhältnismäßige Lösungen zu übernehmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

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