Deutscher Bundestag/Achim Melde

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Rede zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes am 27.04.2017

Es gilt das gesprochene Wort: 

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

stellen Sie sich vor, Sie würden nur 50 % Ihrer Telefon­rech­nung bezahlen. Was würde da passieren? Der Telefon­anbieter würde Mahnungen schreiben, evtl. ein Inkassobüro beauftragen und wahrscheinlich auch vor Gericht gehen, um die volle Zahlung einzuklagen. Er würde damit Recht bekommen. Und das ist auch richtig so!

Stellen wir uns anders herum vor, ich habe einen Vertrag über einen Internetanschluss über 16 MBit, und bekomme nur 8. Welche Möglichkeiten habe ich, dagegen vorzu­gehen? Keine. Weil es keine konkreten Vorgaben gibt und Verbrau­cherinnen und Verbraucher mit diesem Problem im Regen stehen gelassen werden. Und das ist eben nicht richtig.

Das ist eines der größten täglichen Ärgernisse für Nutzerinnen und Nutzer, wenn sie von Internetanbietern mit irreführenden „bis zu Soundso viel Mbit pro Sekunde“-Angeboten gelockt werden und diese Bandbreiten dann nicht bekommen.

Die Verstöße der Diensteanbieter in diesem Bereich sind dank mehrerer Studien, aktuell auch der Bundesnetzagentur, hinreichend bekannt: Nur 12 % der Haushalte bekommen demnach die vertraglich zugesicherte Maximalgeschwindig­keit.

Sie sind doch auch alle Verbraucher: Ärgern Sie sich da nicht, wenn das Internet abends so langsam ist, dass ein Video ruckelt oder das Laden von Webseiten eine Ewigkeit braucht? Das ist doch zum Haare-Raufen!

Es gibt aber Lösungen: zum Beispiel Mindeststandards, damit Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, womit sie rechnen können. Wir Grüne sagen daher: Die minimale Datenübertragungsrate muss mindestens 70 % der maximalen Übertragungsrate betragen. Und die normalerweise zur Verfügung stehende Übertragungs­rate sollte an mindestens 95 % eines Tages auch wirklich zur Verfügung stehen. Und das haben wir uns nicht selbst ausgedacht, das steht in den Empfehlungen der BEREC zur Umsetzung der EU-Verordnung. Wir müssen sie also nur umsetzen!

Außerdem fordern wir pauschalierte Schadenersatz­ansprüche, ein Sonderkündigungsrecht und ein Recht auf Tarifanpassung, wenn sich Anbieter nicht an ihre Zusagen halten. Das wären Mechanismen, mit denen wir Verbraucherinnen und Verbraucher vor Verstößen der Netzbetreiber wirksam schützen könnten. Also, lassen Sie es uns doch auch tun!

Auch beim Thema Netzneutralität macht die Verordnung klare Vorgaben. Angebote wie der neue Zero-Rating-Tarif-StreamOn der Telekom drohen aber, die Netzneutralität auszuhöhlen. Die Telekom nutzt ihre Marktmacht hier aus und sucht nach Schlupflöchern, die in der Praxis zu einer Diskriminierung kleinerer Start-Ups und vor allem zur Drosselung von Videodiensten bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern führen werden. Und es ist unsere Aufgabe, diese Schlupflöcher zu stopfen!

Daher fordern wir auch im Bereich Netzneutralität Mindest­standards. Und wenn diese nicht eingehalten werden, muss es Sanktionen geben. Statt die Verantwortung auf die Regulierungsbehörden abzuschieben, sollten wir diesen Behörden auch wirksame Instrumente an die Hand geben, diese Standards auch durchzusetzen. Diese Aufgabe haben Sie leider völlig verfehlt.

Ein weiteres Problem im Telekommunikationsbereich sind unzulässige Abbuchungen über die Mobilfunkrechnung von Drittanbietern. Auch in diesem Punkt sind Sie auf halber Strecke stehen geblieben. Wir fordern eine voreingestellte Drittanbietersperre, die Verbraucherinnen und Verbraucher nachträglich aufheben können, wenn sie es wünschen. Dies im Gesetz zu verankern, wäre wirklich nicht schwer gewesen!

Effektiver Verbraucherschutz ist kein Hexenwerk. Trotzdem fehlen in ihrem Gesetzesentwurf viele wichtige Konkretisierungen. Ihr Vorschlag bleibt an den entscheidenden Stellen leider Wischiwaschi, da Sie keine spezifischen Sanktionstatbestände geschaffen haben.

Das bedeutet in der Praxis: Die Verbraucherinnen und Verbraucher schauen weiter auf den Ladebalken.

Deshalb haben wir unsere Vorschläge in einem Entschließungsantrag eingebracht, dafür bitte ich um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

 

 

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