Pressefreiheit: Sinkende Wertschätzung in Demokratien alarmierend

Anlässlich der heutigen Veröffentlichung der Rangliste der Pressefreiheit 2017 von Reporter ohne Grenzen erklärt Tabea Rößner:

Die Rangliste von Reporter ohne Grenzen zeigt einen erschreckenden Trend: In immer mehr Demokratien verlieren JournalistInnen an Unterstützung und Wertschätzung. Noch schlimmer: Sie werden selbst von hochrangigen SpitzenpolitikerInnen offen angegangen, schikaniert, diffamiert und verleumdet. Das ist alarmierend, ist Pressefreiheit doch ein zentraler Pfeiler einer Demokratie. Zudem erschwert die Sicherheitsgesetzgebung in vielen Ländern wie das BND-Gesetz in Deutschland oder die harte Verfolgung von Investigativ-JournalistInnen und Whistleblowern wie in den USA Medienschaffenden zunehmend ihre Arbeit.
Es scheint inzwischen en vogue zu sein, JournalistInnen wenigstens verbal zu attackieren: Der Ton wird in vielen Ländern härter, „Lügenpresse“ hätte nicht nur in Deutschland ein „Unwort des Jahres“ werden können. So hat Trumps systematische Medienschelte und Verleumdung von JournalistInnen den USA einen Verlust von zwei Rängen eingefahren, auch in Großbritannien war eine abwertende bis aggressive Rhetorik Teil politischer Wahlkampf- und Brexit-Strategie.
Die Lage in Europa ist angespannt und muss sorgsam beobachtet werden. Besonders augenfällig ist die Entwicklung in der Türkei, die in den vergangenen zwölf Jahren auf der Rangliste der Pressefreiheit um 57 Plätze nun auf Platz 155 von 180 Ländern gerutscht ist. Die letzten Monate haben gravierend dazu beigetragen: 150 Medien wurden geschlossen, genauso viele JournalistInnen sitzen in Haft, darunter Welt-Korrespondent Deniz Yücel, viele monatelang ohne Gerichtsverfahren. Auch wenn die Bundesregierung sich um die Freilassung Yücels bemüht hat, fehlt aber ein engagiertes Eintreten für Pressefreiheit gerade auch von Bundeskanzlerin Merkel.
Aber auch die Europäische Union muss klare Haltung zeigen und  Menschenrechtsverletzungen anprangern, gegenüber Erdogan und anderen Beitrittskandidaten wie Kroatien, aber auch gegenüber den eigenen Mitgliedsstaaten der EU wies Ungarn und Polen, die auf der Rangliste weiter abgerutscht sind. In Polen hat die nationalkonservative Regierung den öffentlichen Rundfunk vereinnahmt und mehr als 220 JournalistInnen entlassen. Die gemeinsamen Grundwerte, auf die sich die europäische Gemeinschaft gegründet hat, müssen auch eingehalten werden!
Auch hierzulande können wir alles andere als zufrieden sein. Zwar konnte Deutschland den 16. Platz zumindest halten, dennoch stehen weiterhin Angriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche von JournalistInnen einem Aufwärtstrend entgegen. Zudem hat die Bundesregierung mit der Vorratsdatenspeicherung, der BND-Gesetzgebung und dem Anti-Whistleblower-Paragraf gegen „Datenhehlerei“ gezeigt, was sie von einem konsequenten Schutz der Pressefreiheit hält: Offenbar nicht sehr viel. Das ist mehr als bedauerlich.

 

Weltweit können sich einige Länder mit vereinzelten Maßnahmen verbessern, wie zum Beispiel Kolumbien oder Eritrea. Das sind allerdings nur Wermutstropfen. Überwiegend bleibt die Bedrohungslage für die Pressefreiheit hoch. In vielen Ländern müssen JournalistInnen weiterhin um ihre Freiheit, um körperliche Unversehrtheit und ihr eigenes Leben fürchten. Die Bundesregierung muss auch international Flagge für die Pressefreiheit zeigen. Bei ihrem Handeln muss deutlich werden, welchen Stellenwert wir Pressefreiheit und Medienschaffenden zuerkennen und dass wir dafür mit harten Bandagen kämpfen. Dazu gehört diplomatischer Druck, dazu gehören auch klare politische Konsequenzen für den Fall von nicht hinnehmbaren Entwicklungen.

 

Die Rangliste finden Sie hier:  https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2017/

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