Rede auf der Bahnlärm-Demo in Neuwied, 13. September 2016

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

vor genau 10 Tagen haben wir in Koblenz gegen Bahnlärm demonstriert. Und auch ich durfte dort erstmals reden. Seitdem habe ich einige Zuschriften bekommen, Leserbriefe wurden veröffentlicht, in denen mir das übliche Oppositionsbashing vorgeworfen wurde. Und am Ende der Demo, als ich Richtung Bahnhof ging, beschimpfte mich eine Frau, ich würde ja auch nichts tun. Aber mit sich reden lassen, wollte die Dame auch nicht.

Mich hat das sehr betroffen gemacht. Und ehrlich gesagt, ich muss nach solchen Reaktionen meinem inneren Reflex widerstehen. Denn wofür lasse ich mich beschimpfen, wenn es nicht mal einen Austausch auf Augenhöhe gibt? Warum sollte ich mich weiter für ein Thema engagieren, wenn nicht wahrgenommen – geschweige denn anerkannt – wird, was ich tue?

Im Ernst: Wer schaut wirklich auf der Seite des Bundestags nach Initiativen, Anträgen oder Anfragen zu einem bestimmten Thema? Wer schaut sich die Webseiten der Abgeordneten genauer an und sucht dort danach, was der oder die initiiert hat?

Und was mich auch getroffen hat, war die Tatsache, dass gerade ich beschimpft werde, die immer wieder beschwört, dass wir nur gemeinsam Druck machen können. Dass wir nur etwas erreichen können, wenn wir uns nicht gegenseitig das Leben schwer machen, sondern gemeinsam an einem Strang ziehen – und zwar in dieselbe Richtung. Manchmal macht mich das ganz schön ratlos.

Aber ich bin trotzdem nach Neuwied gekommen. Und vor ziemlich genau einem Jahr stand ich schon einmal hier. Damals sprach ich vom Jahr 2016 als entscheidendes Jahr für den Bahnlärm. Es ist deshalb entscheidend, weil am Ende dieses Jahres Zwischenbilanz gezogen werden soll.

Die Zwischenbilanz ist wichtig, weil nämlich daraus mögliche Konsequenzen folgen müssen. So lautet das Versprechen aus dem Koaltionsvertrag. Bislang – und gestatten Sie mir diese Anmerkung – hat der Bundesverkehrs­minister dazu noch nichts gesagt. Wenn er es nicht tut, sollten wir Bilanz ziehen und fragen:

Tut sich was bei der Reduzierung von Bahnlärm? Was hat sich in den vergangenen Monaten getan?

Die Waggons werden nach und nach umgerüstet. 22 % der Wagen haben – Stand Mai – leise Bremssohlen, so die Antwort auf eine kleine Anfrage, die ich mit gestellt habe. Ich habe mit den Verkehrspolitikern aus meiner Fraktion vereinbart, jetzt eine weitere Anfrage zu stellen. Wie viele Wagen sind es Stand Ende September. Wie sieht das Konzept für ein Lärmmessmonitoring aus? Wann ist mit dem versprochenen Gesetz zu rechnen, dass Verkehrsminister und Staatssekretär zu verschiedenen Anlässen angekündigt haben?

Allein in dieser Legislaturperiode habe ich elf Anträge und Anfragen gestellt:

Zum Stand der Umrüstung, zum Monitoring, zum Lärmschutz auf der Schiene. Und wie ich, so tun das auch viele andere Parlamentarier um immer und immer wieder die Bundesregierung auf das Thema aufmerksam zu machen.

Und das ist im Übrigen auch die Aufgabe der Opposition, der Bundesregierung auf den Zahn zu fühlen. Und ich mache das nicht, weil ich Opposition so toll finde oder die Regierung schlecht da stehen lassen will, sondern weil es mir um die Sache geht. Das ist doch wichtiger als irgendwelche politischen Spielchen. Und da bin ich mir mit Abgeordneten der Großen Koalition im Übrigen einig. Die können aber Kritik oft nicht ganz so laut äußern.

Viele von Ihnen wissen, dass mich der Bahnlärm umtreibt. Ich will es hier laut und deutlich sagen: Ich will Veränderung und es ist mir egal, welcher Minister etwas ändert. Hauptsache: Es tut sich etwas für die Menschen im Mittelrheintal.

Ich werde aber auch immer klar benennen, wenn ich daran zweifle, ob es ein Minister mit der Reduzierung des Bahnlärms so ernst meint. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Zweifel habe ich bei Dobrindt.

Was hat sich noch getan?

Der Beirat Leiseres Mittelrheintal, dem ich angehöre, hat sich mit der Lärmsanierung befasst, eine Machbarkeitsstudie beauftragt und die Umsetzung empfohlen. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten Monaten und Jahren sukzessive abgearbeitet werden. Dabei war die Frage, ob die Länder sich an der Finanzierung dieser Maßnahmen beteiligen.

Diesen Konflikt aufzulösen, war gar nicht so einfach. Denn die Länder sind dafür nicht verantwortlich. Warum sollten sie Geld, das dann an anderer Stelle fehlt, für Lärmsanierung in die Hand nehmen, wenn doch der Bund dafür zuständig ist. Wir haben viele Gespräche im Hintergrund geführt. Eine Arbeit, die nicht immer offensichtlich ist.

Schließlich haben sich beide Länder, Rheinland-Pfalz und Hessen, dazu durchgerungen, sich an den Lärmschutzmaßnahmen zu beteiligen. Damit sollte auch gezeigt werden: Die Menschen hier sind uns wichtig, der Lärmschutz steht bei uns auf der Landesebene oben auf der Agenda. Und natürlich sollte das auch ein Signal an die Bundesregierung sein, um zu zeigen, dass das Thema auch auf Bundesebene verstärkt angegangen werden muss.

Das Land Rheinland-Pfalz hat übrigens auch in der vergangenen Legislaturperiode, gemeinsam mit anderen Ländern, den Bahnlärm im Bundesrat thematisiert und die Evaluation des Umrüstungsgrades, wie auch die wirksame Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie gefordert. Außerdem setzt sich das Land mit Nachdruck für wirksames System lärmabhängiger Trassenpreise auf europäischer Ebene ein.

Was hat sich noch getan?

Im Bundestag hat sich auf Initiative von meinen Kollegen Erwin Rüddel von der CDU, Deltev Pilger von der SPD und mir eine Parlamentsgruppe Bahnlärm gegründet. Mittlerweile gehören ihr über 140 Bundestagsabgeordnete an. Diese Bahnlärmgruppe hat zu ganz schön Wirbel gemacht. Und es gab Zoff. Denn die Verkehrspolitiker in den jeweiligen Fraktionen meinten, sie würden das Thema doch ausreichend behandeln. Sie waren wohl auch sauer, dass wir mit der Gründung viel Aufmerksamkeit bekamen und mehr Öffentlichkeit als sie. Aber so haben wir das Thema wieder stärker in den Fokus gebracht. Wir haben klare Forderungen aufgestellt. Und aufgrund unseres Drucks kam auch die Zusage aus dem Ministerium für eine gesetzliche Regelung zustande. Und ich verspreche Ihnen, dass wir weiter Druck machen werden!

Um also die Frage zu beantworten: Tut sich etwas? Ja, es tut sich was.

Reicht das aus? Nein, es reicht nicht aus. Wir hinken im Zeitplan gehörig hinterher! Dieses Zwischenfazit müssen wir in diesem Jahr leider ziehen.

Es ist erklärtes Ziel, den Schienenlärm bis 2020 zu halbieren. Deshalb soll noch in diesem Jahr die Hälfte aller Güterzüge auf leisere Bremsen umgerüstet sein.

Wir von der grünen Bundestagsfraktion haben mal ausgerechnet, wenn in dem Tempo des vergangenen Jahres weiter umgerüstet wird – das waren etwa 1250 Wagen pro Monat – dann wird das Ziel erst 2019 erreicht. Und zu den 100 % kommen wir erst 2025.

Das ist deutlich zu spät. Und es ist auch nicht das, was die Große Koalition zugesagt hat.

Was brauchen wir also:

Eine schnelle und unkomplizierte Lösung wäre es, wenn man die lärmabhängigen Trassenpreise deutlich stärker spreizen würde. Denn nur, wenn die Lärmverursacher es richtig spüren, wenn es ihnen weh tut, weil sie viel Geld zahlen müssen, nur dann werden auch die letzten ihre Waggons umrüsten.

Um mehr Druck auf die Wagenhalter zu machen, brauchen wir auch ein Gesetz, dass dafür sorgt, dass laute Güterwagen zu bestimmten Zeiten nicht fahren dürfen. Auch das würde die Wagenhalter – insbesondere auch die ausländischen – stärker in die Pflicht nehmen, jetzt was zu tun.

Um laute Wagen ausfindig zu machen, um besser kontrollieren zu können und den Wagenhaltern Schadstellen an ihren Wagen schnell melden zu können – denn gerade die Schadstellen verursachen ja den Lärm, brauchen wir bundesweit Lärmmessstationen.

Wir wissen, dass die Intervalle für Wartungen an den Waggons zu lang bemessen sind. Durch bundesweite Lärmmessstationen könnten wir beispielsweise die Waggonhalter stetig auf Schadstellen aufmerksam machen. Nicht weit von hier, in Leutesdorf, da steht eine solche.

Sie ist technisch im Stande, alle relevanten Daten für jeden Zug, jeden Waggon, ja selbst jedes Rad zu erfassen. Bislang noch privat betreiben. Dieses Know-How muss sich der Bund zu Eigen machen!

Immerhin hat der Bundesverkehrsminister unsere Forderung aufgegriffen und angekündigt, ein Monitoring mit 15 neuen Messstationen auf den Weg zu bringen. Auch etwas, was sich aufgrund unserer Initiativen getan hat. Meine Kollegen Rüddel und Pilger haben mehrmals die Messstation in Leutesdorf besucht, das System im Bundestag vorstellen lassen, Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Ich hoffe, das Monitoring kommt dann auch bald.

Darüber hinaus brauchen wir eine Weiterentwicklung des Lärmschutzes – denn der muss verkehrsträger-übergreifend gedacht werden. Wir brauchen endlich eine Gesamtlärmbetrachtung und die Berücksichtigung von Maximalpegeln. Der Lärmpegel darf durch Mittelung nicht mehr schön gerechnet werden. Dafür habe ich mit meiner Fraktion einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der eine Änderung des Bundesimmissionsschutz­gesetzes einfordert.

Bei diesem Thema können übrigens alle Lärmgeplagten einen Schulterschluss machen. Denn das wollen die Fluglärmgegner genau so wie die Verkehrslärm-Betroffenen.

Zum aktiven Lärmschutz gehört auch Verkehrsvermeidung. Dort, wo es geht. Unnötiger Verkehr wie Leerfahrten sollten die Menschen an den Strecken nicht belasten.

Außerdem müssen wir eine Alternativtrasse für den Güterverkehr auf den Weg bringen. Wenn ich sehe, für welch unsinnigen Projekte Milliarden ausgegeben werden, sollte doch gerade für den Güterverkehr eine neue Trasse verstärkt vorangetrieben werden. Denn wir brauchen umwelt- und klimaschützenden Verkehr. Wir sind ja nicht gegen die Bahn – ganz im Gegenteil!

Auch hier hat das Land Rheinland-Pfalz, speziell Staatssekretär Thomas Griese, Druck auf die Bundesregierung gemacht. Die Forderung nach der Übernahme der Entlastungsstrecke in den vordringlichen Bedarf – sie ist bei der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans vorgebracht worden. Immer und immer wieder.

Bis eine Alternativtrasse kommt, muss aber alles getan werden, um den Lärm zu minimieren. An der Quelle, am rollenden Material und an den Schienen.

Eines ist mir nochmals wichtig zu betonen: Mehr erreichen tun wir nur  gemeinsam. Und da ist es sicherlich nicht hilfreich, Mitstreiter zu beschimpfen. Und mir schwebt immer noch eine riesige Bewegung vor, eine Großdemo zum Thema Lärm zum Beispiel zum Tag des Lärms, an dem alle teilnehmen, die sich von Verkehrslärm betroffen sind. Das wäre ein wichtiges Statement.

In diesem Sinne, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

lassen Sie uns weiter gemeinsam Druck machen, dass der Lärm an der Quelle schneller und effizienter reduziert wird, dass die Umrüstung der alten Graugusswagen schneller vorangeht. Damit sich mehr und schneller etwas tut als bisher!

Lassen Sie uns gemeinsam für eine bessere Lebensqualität kämpfen. Für die Menschen, für ihre Gesundheit und für die gesamte Region.

VIELEN DANK!

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