Pünktlichkeit – das ist deutsch

Dreimal im Jahr hat jeder Bundestagsabgeordnete die Möglichkeit, Menschen aus dem Wahlkreis nach Berlin einzuladen. Die sogenannten Wahlkreisfahrten, die vom Bundespresseamt der Bundesregierung organisiert werden, haben den Zweck, Bürgerinnen und Bürgern den Politikbetrieb in der entfernten Bundeshauptstadt näherzubringen. „Warum sollte dieses Angebot nicht auch für Flüchtlinge interessant sein? Gerade, weil von ihnen ja erwartet wird, dass sie unsere demokratischen Werte teilen“, dachte sich die Mainzer Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und bot kurzerhand der Stiftung Juvente und den Maltesern, die für die Flüchtlingsunterbringung in der Stadt Mainz zuständig sind, ein Kontingent an. Das Interesse war groß, so dass die Berlinreisenden von 13 Flüchtlingen begleitet wurden. „Menschen aus Syrien, Afghanistan, Somalia und Mainz-Mombach – das war wohl bisher die bunteste Wahlkreisfahrt, die ich je hatte“, erklärt Rößner.

Nach dem Rundgang durch die Gebäude des Deutschen Bundestages wurde es dann bei der anschließenden Diskussion mit der Bundestagsabgeordneten plötzlich still im Fraktionssaal der Grünen. Eine Frau, die alleine aus Syrien nach Deutschland geflüchtet war, erzählte von den großen Strapazen ihrer Flucht. Sie habe ihren Mann und ihre Kinder seit mehr als einem Jahr nicht gesehen, sie weine jeden Abend, weil sie sie so vermisse. Und es sei nicht klar, ob und wann ihre Familie nachkommen könne. Ein anderer Flüchtling aus Afghanistan berichtete, dass er in seinem Land zweimal von den Taliban als Geisel genommen worden war. Ihm blieb keine andere Möglichkeit, als sein Land zu verlassen. Hier in Deutschland kann er es kaum erwarten, die Sprache zu lernen. „Solche Schicksale bewegen mich sehr und zeigen, weshalb die Menschen fliehen und welche Hürden die Flüchtlinge auf sich nehmen, um ein angstfreies Leben in Freiheit zu führen“, ergänzt Rößner.

Besonders auffällig war, dass die Flüchtlinge, trotz sprachlicher Barrieren, überpünktlich an den jeweiligen Treffpunkten erschienen. „Pünktlichkeit – das ist deutsch. Das habe ich hier sehr schnell gelernt“, schmunzelt Anas Dabo aus Syrien, der in Bacharach lebt. Für manch einen auf dieser Fahrt war es der erste Kontakt mit Flüchtlingen. Viele Mitfahrerinnen und Mitfahrer zeigten sich beeindruckt und bewegt von den Geschichten der jungen Menschen. Andere halfen beim Übersetzen und boten sich als Stadtführer an. „So ein Austausch ist wichtig und sensibilisiert. Es war schon sehr rührend, wie sich die Gruppe während der Fahrt um die Flüchtlinge gekümmert hat. Wohlmöglich hat der ein oder andere Mitfahrer auch eine andere Sicht auf die Flüchtlingspolitik“, zieht Rößner eine positive Bilanz nach der Gruppenreise. Die Mainzer Bundestagsabgeordnete will auch zukünftig Flüchtlingen eine Fahrt nach Berlin ermöglichen.

 

 

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