Bericht zum Fachgespräch: „Ein Buch ist ein Buch ist ein E-Book?“

Am 23. März 2015 fand unter Moderation von Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Renate Künast, Vorsitzende des Ausschusses Recht und Verbraucherschutz, das Fachgespräch „Ein Buch ist ein Buch ist ein E-Book?“ statt.

Ausgangslage des Fachgesprächs war die derzeitige Rechtslage, dass bei dem Kauf eines gedruckten Buches das Verbreitungsrecht an diesem Exemplar gemäß § 17 Abs. 2 UrhG endet – was vor allem heißt, dass es ausgeliehen, verschenkt und second hand weiterverkauft werden kann. Ob das auch bei einem E-Book gilt, ist strittig. Die derzeitige deutsche Rechtsprechung verneint das.

Das Fachgespräch sollte weniger die rechtlichen Finessen, als die tatsächliche Problemlage und Lösungsmöglichkeiten behandeln.

In der ersten Themenrunde stritten Expertinnen und Experten also über das Für und Wider eines Weiterverkaufrechts bei E-Books. Markus Klose, Geschäftsführer Hoffmann und Campe, sowie Autorin Nina George befürchteten neben einem wachsenden illegalen Markt, bei dem nicht mehr kontrollierbar sei ob ein „Second hand-E-Book“ aus legaler oder illegaler Quelle stamme, insbesondere einen Zweitmarkt, der andere Dimensionen als beim analogen Buch annehmen könne. Denn: Das E-Book altere nicht so wie ein Papierbuch, das nach wenigen Verkäufen zumeist nicht mehr handelbar sei. Zudem sei es weniger kopiergeschützt, und mit einem Klick könne es an jeden Ort der Welt unbegrenzte Male wiederverkauft werden. Das würde den Erstmarkt erheblich bedrohen und könne langfristig der Vielfalt abträglich sein. Denn: Wer investiere noch in Autoren, wenn die Einnahmen aus dem digitalen Buchmarkt rapide einbrechen?

Lenz Queckenstedt, Leiter Team und Digitales beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, sah vor allem die Leserinnen und Leser durch die Nutzungsbedingungen limitiert. Familie und Freunde sollten wie beim gedruckten Exemplar auch ein E-Book ausborgen können. Um an den Einnahmen des Zweitmarktes zu partizipieren, schlug Herr Queckenstedt zudem den Verlagen vor, selbst eine Verkaufsplattform für den Zweitmarkt zu entwickeln. Till Kreutzer, Rechtsanwalt und Mitglied bei irights, sah die Befürchtungen der Verlage und Autoren als spekulativ an. Auch beim gedruckten Buch verdienten Verlage und Autoren im Zweitverkauf nicht mehr mit. Dieses Prinzip sei so gewollt, und der Zweitmarkt könne in den Erstpreis eingepreist werden. Man dürfe sich der Entwicklung nicht versperren, dies sei Teil der Freiheit des digitalen Binnenmarktes. Schließlich würden die Menschen sowieso – und sei es illegal – an ihre E-Books kommen. Gerade aber das Verbot des Weiterverkaufs würde den Pirateriemarkt befeuern.

Das E-Book einmal als „original“, ein anderes Mal als „second-hand“? Damit zerstörten sich die Verlage doch ihr eigenes Geschäftsmodell, resümierte Herr Klose. Wer sei dann noch an dem original gepreisten E-Book interessiert? Die Autorin Frau George appellierte schließlich noch einmal daran, bei allen Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher die Autoren nicht zu vergessen. Ihre Einnahmen seien bereits jetzt gering und dürften nicht weiter beschnitten werden. Zudem habe ein E-Book schon jetzt Vorteile gegenüber dem Papierbuch: Etwa für Familienmitglieder gleichzeitig auf bis zu sechs Geräten lesbar zu sein.

Das Publikum beteiligte sich rege, es gab viele Nachfragen und Anmerkungen.

Allein in einzelnen Aspekten, wie besserer Portabilität, Lösungen für Fälle von Scheidung oder Erbschaft etwa, gab es Einstimmigkeit. Ansonsten schien eine Lösung am Ende dieser Runde noch nicht greifbar.

Hoffnungsvoller stimmte diesbezüglich die – in etwas anderer Besetzung – zweite Gesprächsrunde. Das Thema Online-Ausleihe in öffentlichen Bibliotheken wird laut Barbara Lison, Vorsitzende des Bibliotheksverbandes, immer relevanter. Bibliotheken müssen auch in Zukunft Menschen mit Büchern versorgen können. Es bedürfe einer Ausleihsituation analog zum gedruckten Buch mit einer Bibliothekstantieme zum Ausgleich.

Sie sei ganz und gar für Bibliotheken, so Nina George. Dennoch hänge, wie so oft, alles am Geld. Schon beim gedruckten Buch würden sich Autor und Verlag den Betrag teilen müssen – es blieben 4 Cent, der unterste Rand einer Verdienstmöglichkeit. Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins Deutscher Buchhandel, stimmte dem zu und sah das Problem der öffentlichen Bibliotheken gerade in der Konkurrenz zu kommerziellen Angeboten wie etwa Skoobe. Frühere unbequeme Hürden, wie der Gang zur Bibliothek, insbesondere wegen der Einhaltung von Abgabefristen, seien bei der Online-Ausleihe aus dem Weg geräumt. Mit einem Klick bekomme man das E-Book umsonst – und es lösche sich nach Fristablauf einfach automatisch. Das daneben stehende kommerzielle Zahlangebot hätte dagegen keine Chance.

Die Versorgung mit E-Books solle ja gar nicht unbegrenzt stattfinden, viele Bücher hätten Wartelisten. Da würden viele nicht mitmachen wollen, meinte hingegen Barbara Lison. Lösungsmöglichkeiten? Till Kreutzer favorisierte eine Ausweitung der bestehenden Bibliothekspauschale auf die Online-Ausleihe über eine gesetzliche Lizenz. Dafür müsse der Staat aber auch mehr Geld bereitstellen, so dass die Autoren höhere Einnahmen erhalten könnten. Christian Sprang war der Ansicht, dass der Markt die besten Angebote mit der Zeit finden werde. Es könne aber nicht sein, wie etwa im Wissenschaftsbereich, dass gar keine Einnahmen mehr generiert werden, weil Lehr- und Wissenschaftsbücher in den Universitäten umsonst zu haben wären. „Verleger müssen nicht verlegen, sie tun es nur dort, wo es sich lohnt. Auch Autoren sind darauf angewiesen.“ Einer müsse aber zahlen, sonst würde es auch hier Einschnitte bei der Vielfalt geben.

Fazit: Ein so komplexes Thema kann die vielen Aspekte in begrenzter Zeit nur anschneiden. Beim Weiterverkaufsrecht von E-Books gibt es zahlreiche Differenzen, die wohl nicht so einfach zu überwinden sind. Wie groß ist die Gefahr eines Zweitmarktes? Wie kann man verhindern, dass nur Platzhirsche wie Amazon das Rennen machen? Wie kann Vielfalt und Investition in Bücher und Autorinnen und Autoren sowie eine angemessene Vergütung weiterhin sichergestellt werden? Und wie können die Wünsche der Leserinnen und Leser damit vereint werden? Im Bereich der Online-Ausleihe wiederum rückte man näher zusammen – hier scheint eine Lösung möglich.

Wir haben viele interessante Aspekte mitnehmen können und werden in der Fraktion Lösungswege diskutieren.

Vielen Dank an alle Referentinnen und Referenten und an das ausgesprochen engagierte und fachkundige Publikum!

 

Teile diesen Inhalt:

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld