Medien als Mittel zum Zweck? Der Krieg um die Meinungshoheit in der Ukrainekrise.

Lügenpresse, Mainstreammedien – das sind Begriffe, die wir dieser Tage häufiger lesen. Die Berichterstattung zur Ukrainekrise stand bereits im vergangenen Jahr in der Kritik. Der Vorwurf: Die Medien seien zu tendenziös. „Selten hat die Berichterstattung über einen Konflikt eine solche Kontroverse ausgelöst. Der Konflikt um die Ostukraine wird in der deutschen Öffentlichkeit fortgesetzt. Es handelt sich hier ganz klar auch um einen Informationskrieg“, leitet die Gastgeberin und medienpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion, Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), ein. Für diesen Abend lädt die Mainzer Bundestagsabgeordnete ihre Kollegin Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Elmar Theveßen (ZDF), Sonja Volkmann Schluck (n-ost), Reinhard Veser (FAZ) und Simon Weiß (Universität Heidelberg) ein. Das Ciné Mayence in Mainz war mit circa 60 Teilnehmern voll besetzt.

„Das ZDF hatte über tausend Beiträge zum Ukraine-Konflikt, lediglich sechs waren fehlerhaft“, erzählt Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF. Die Fehler, die laut Theveßen auf menschliches Versagen zurückzuführen seien, könne man nicht entschuldigen, lediglich erklären. Die Kritik an der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mache sich auch bei der journalistischen Arbeit bemerkbar. „Ich glaube, man ist zurückhaltender geworden“, bedauert Theveßen. Das ZDF bemühe sich bereits transparenter zu sein. Quellennachweise würden auf der Homepage veröffentlicht, um darzustellen, woher die Redakteure ihre Informationen beziehen.

Für Marieluise Beck, osteuropapolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, müssen diejenigen, die die Berichterstattung zweifelhaft finden, auch begründen, warum sie es so empfinden. Teilweise musste sich das ZDF für Fehler entschuldigen, die offenkundig keine waren. Tendenziöse Berichterstattung könne sie nicht feststellen. Im Gegenteil:. „In den deutschen Talkshows sind die Befürworter Russlands überrepräsentiert“, erklärt Beck, die sich dabei auf eine Studie der Bundeszentrale für politische Bildung beruft.

Auch Reinhard Veser, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sieht sich häufig von Kritik ausgesetzt. Für ihn beruhe die Medienkritik oftmals auch darauf, andere Vorstellungen durchzudrücken. „Wir bekommen Briefe, die uns vorenthalten, dass wir überhaupt nicht über den Antisemitismus in der Ukraine berichten. Die Artikel gab es jedoch“, erzählt er. Veser berichtet von einer Flut an Briefen, die oftmals dieselben Muster haben. Bei aller Kritik an der Berichterstattung müsse man jedoch auch festhalten, dass Russland das Völkerrecht gebrochen habe. „Das ist schlicht die Wahrheit“, erklärt er.

Einen Einblick in die Arbeit der Korrespondenten vor Ort liefert Sonja Volkmann-Schluck, Mitarbeiterin von n-ost, einem Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung. Oftmals hätten Zeitungen aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht die Möglichkeit, Korrespondenten in die Ukraine zu entsenden. Das Netzwerk n-ost wolle diese Lücke schließen und biete auch diesen Zeitungen Berichterstattung an. „Wir reden bei der Ukraine über Kriegsberichterstattung“, erzählt sie. Dabei arbeiteten die Journalisten wie Detektive. Die Situation für Korrespondenten sei nicht einfach. Persönliche Kontakte seien hier elementar, um valide Informationen zu erhalten. Volkmann-Schluck betont, dass es wichtig sei, sehr genau auf die Sprache zu achten. Stellenweise würde Putins Politik mit den Russen gleichgesetzt. Dabei nimmt sie eine Dokumentation zum Beispiel, die sich sehr ausführlich mit dem Leben und den Menschen in Russland beschäftigt, jedoch den Namen „Putins Volk“ trug.

Simon Weiß, Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg, vertritt die Auffassung, dass sich die deutschen Medien sehr spät mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gekümmert haben. Dabei hätte, aus Sicht des Politikwissenschaftlers, schon viel früher über das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine berichtet werden müssen. In den deutschen Medien sei später eine Sympathie für die Maidan-Bewegung erkennbar gewesen.

Weiß war jedoch auch der Meinung, dass sich aufgrund der Diskussion über die Berichterstattung in der Ukrainekrise, vieles geändert habe. Generell waren sich alle Teilnehmer einig, dass sensibler mit Sprache und Bildern umgegangen werden müsse. Medieneinrichtungen müssen, gerade im digitalen Zeitalter, ihre Arbeit noch transparenter machen und Quellen offenlegen, auf die sie sich berufen. Das alles gehe aber auch nur dann, wenn ausreichend Personen vor Ort sind. „Die Diskussion zeigt auch, wie wichtig es ist, gut ausgebildete Journalisten zu haben, die einordnen und die Situation beschreiben können, unter denen sie berichten und offenlegen, wie sie berichten können. Und es ist wichtig, dass es in den Medien die Ressourcen gibt, um auch langfristig über einen Konflikt zu berichten“, ergänzt Rößner. „Die rege Teilnahme an der Veranstaltung zeigt auch, dass die Menschen einen Bedarf sehen, über das Thema zu diskutieren“, fasst sie zum Schluss zusammen.

 

 

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