Journalismus unter Druck

Werden wir durch die Medien noch informiert? Oder hechelt die Branche nur noch von einem Hype zum nächsten? Diesen Fragen stellte man sich bei der gemeinsamen Veranstaltung  vom Forum Qualitätsjournalismus und dem Presseclub Mainz. Auf dem Podium saßen neben der Mainzer Bundestagsabgeordneten und medienpolitischen Sprecherin Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) auch Prof. Dr. Mathias Kepplinger (Johannes Gutenberg Universität-Mainz), Thomas Görgen (SWR) und Volker Heck (Deekeling Arndt Advisors). Moderiert wurde die Diskussion von Christian Preiser (Forum Qualitätsjournalismus) und Michael Schirp (Presseclub Mainz).

Es bleibt oft wenig Zeit für die Recherche. Die so genannte Handtaschen-Affäre der Mainzer Bundestagsabgeordneten ist dafür ein Paradebeispiel. Am Anfang des Jahres vergaß sie ihre Tasche am Frankfurter Flughafen und bemerkte es erst im Flugzeug. Da der Flieger ohnehin Verspätung hatte, wurde ihr die Tasche noch an Bord gebracht. Boulevardzeitungen schmückten diese Geschichte aber aus und skandalisierten sie noch, der Flieger habe nur gewartet,  damit die Abgeordnete ihre Tasche zurückbekäme. Im Netz musste Rößner einen ordentlichen Shitstorm über sich ergehen lassen.

Die Mainzer Bundestagsabgeordnete erzählte, dass sich lediglich zwei Journalisten bei ihr gemeldet und nachgefragt hätten, was an der Geschichte dran sei. Alle anderen hätten die Boulevard-Story über die Handtasche eins zu eins übernommen.  Noch heute wird sie damit in Verbindung gebracht. Der zweite Google-Vorschlag, wenn man dort das Stichwort „Tabea Rößner“ eingibt, lautet auch „Tabea Rößner Handtasche“. Es sei schwer, wenn so eine Geschichte erst in den Medien sei, sie richtigzustellen. Die Sensationsmeldung bleibt eben viel stärker in den Köpfen, als eine Gegendarstellung.

Die mangelnde Recherche ist wohl Ausdruck der hohen Arbeitsbelastung von Redakteurinnen und Redakteuren. In einer Erhebung von Hans Matthias Kepplinger wird deutlich, dass diese aus subjektiver Sicht der Befragten deutlich zugenommen habe. „Der Arbeitsdruck im Journalismus ist enorm. Die Redaktionen werden ausgedünnt, die Arbeitsbelastung der Redakteure steigt. Viele freie Journalisten können kaum noch davon leben und müssen zusätzlich Jobs im PR-Bereich nachgehen.“, bestätigte Rößner.

Außerdem sorgen sich 63 Prozent der Journalisten um die eigene Pressefreiheit. Ihre Arbeit werde zunehmend von ökonomischen Aspekten beeinträchtigt. Der Druck entsteht, weil immer weniger Anzeigenkunden bei den Zeitungen inserieren. Dieses Phänomen werde durch das Netz verstärkt. Gerade in Onlineredaktionen gehe es vor allem darum, möglichst viele Klicks zu generieren, damit man attraktiv für Werbekunden sei. Das habe auch Einfluss auf die Berichterstattung.

„Das Netz stellt die Redaktionen vor ganz andere Herausforderungen“, so Thomas Görgen vom SWR. Die trimedialen Angebote führten auch dazu, dass die Redaktionen überall präsent sein müssten und auf viele Quellen zurückgreifen könnten. Das mache es oftmals unübersichtlicher. Außerdem kritisierte er die „Kostenlos-Kultur“ im Netz. Menschen würden den Wert von journalistischer Arbeit nicht mehr schätzen.

Wie reagiert man, wenn so eine Falschmeldung erst in den Medien ist? Volker Heck, langjähriger Pressesprecher, plädiert für Richtigstellungen. Juristen würden oftmals davon abraten, es sei aber sinnvoll, die andere Sicht widerzugeben. Unterlassungen müssten ebenso geprüft werden, um einer Verbreitung der Falschmeldung entgegenzuwirken.

Qualitätsjournalismus ist ein Selbstzweck. Gute Recherche im schnelllebigen Informationszeitalter ist wichtiger denn je. Darin waren sich alle Teilnehmer einig.

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