Rede zum Etat des Kanzleramts/Generaldebatte

Die Debatte zum Etat des Kanzleramts ist nicht nur die Arena der Kanzlerin und der Fraktionsvorsitzenden, sondern auch der Ort der Kultur- und Medienpolitik. Für die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieses mal Tabea in den Ring gestiegen. In ihrer Rede kritisierte sie die neue Staatsministerin Monika Grütters vor allem dafür, dass diese zwar Kulturpolitik betreibe, aber die Medienpolitik völlig außer Acht lasse.

Wir dokumentieren hier die Rede. Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Frau Grütters,

ich möchte mich direkt an Sie wenden und Ihnen von hier aus noch einmal alles Gute für Ihr jetzt nicht mehr ganz neues Amt wünschen. Die erste Belastungsprobe liegt hinter Ihnen, Ihren Etat haben Sie – weitgehend – verteidigen können.

Sie erwarten jetzt sicher ein „Aber“. Genau das kommt auch: ABER ich befürchte, dass Sie Ihre Jobbeschreibung nur zur Hälfte gelesen haben. Die besagt, dass Sie „Staatsministerin für Kultur und – jetzt kommt’s – MEDIEN“ sind. Davon ist aber bisher wenig zu sehen.

Nun ist die Medienpolitik ein sehr spannendes, aber auch sehr schwieriges Feld. Die Einfluss- und Profilierungsmöglichkeiten auf Bundesebene sind nicht besonders groß. Aber sie sind da.

Wenn ich mir die Baustellen in der Medienpolitik so anschaue, sehe ich da einige Stellschrauben, die man drehen könnte, ja drehen müsste. Es ist aber wohl eine Frage des Wollens. Und mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass Sie eben nicht wollen.

Nehmen wir das Beispiel Staatsferne bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Da gab es vor zwei Wochen ein bedeutsames Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Gericht hat bestätigt, was wir angeprangert hatten: Es gibt zu viel Staatseinfluss in den Aufsichtsgremien des ZDF.

Viel wurde über das Urteil geredet. Selbst Kollege Kauder entdeckte plötzlich seine Liebe zur Staatsferne und forderte gar, dass die Politik ganz raus müsse aus dem ZDF. Kleine Gedankenstütze: Vor 4 Jahren pfiff er noch die Unions-Abgeordneten zurück, die überlegten, unsere Klage zu unterstützen.
Woher der Sinneswandel kommt, weiß niemand. Jedenfalls gibt es nun diesen Impuls eines nicht ganz unbedeutenden Unionspolitikers. Und da frage ich: Hätten nicht Sie das sein müssen, Frau Staatsministerin?

Und bitte schieben Sie jetzt die Verantwortung nicht auf die Länder ab! Auch die Bundesregierung hat hier Aktien: Im ZDF-Verwaltungsrat sitzt als Vertreter des Bundes Ihr Vorgänger Bernd Neumann. Es wäre ein gutes und wichtiges Signal, wenn Sie auf diesen Posten verzichten würden!

Oder nehmen wir die Pressekrise. Wir hatten eine exzellente Pressevielfalt in Deutschland, mit vielen lebendigen Lokal- und Regionalredaktionen.
Wenn ich heute meinen Kindern davon erzähle, komme ich mir vor, wie die Großmutter, die früher alles besser fand. Aber die nackten Zahlen belegen, dass Oma recht hat: Der Schwund ist dramatisch, immer mehr Zeitungen schließen oder legen Redaktionen zusammen. Durch Pressefusionen schwindet die Meinungsvielfalt. Und was macht die Bundesregierung? Nichts. Gar nichts.
Diese Regierung ist ja schon in der Kulturpolitik bekannt als Koalition der Hoch- und Repräsentationskultur. Und sie ist auch eine große Koalition für die großen Medienhäuser! Die Kleinen müssen sehen, wo sie bleiben, und die Großen können die Kleinen noch leichter schlucken.

Mit Ihrem Vorhaben werden Sie die Medienkonzentration noch beschleunigen, statt zu stoppen und Vielfalt zu sichern. Als zusätzliche Belohnung für Springer und Konsorten wird das sinnlose Leistungsschutzrecht erst einmal beibehalten. Da waren die geschätzten Kollegen der SPD-Fraktion wohl so heiß auf die Regierungsverantwortung, dass sie all‘ ihre Reden dazu komplett vergessen haben. Kurze Info:

Sie, liebe SPD, waren – vernünftigerweise – eigentlich mal gegen das Leistungsschutzrecht. Dann kam Olaf Scholz, der lieber Standortpolitik als Demokratieförderung betrieb, und dann winkte hier ein Koalitionsvertrag. Dass Sie auch ein anderes eigenes Projekt, das Presseauskunftsgesetz, protestlos wieder begraben haben, passt da genauso ins Bild. Ihre Medienpolitik wird jedenfalls nicht in die Heldensagen eingehen.

Die Leidtragenden dieser verfehlten schwarz-roten Medienpolitik sind vor allem die Journalisten selbst. Vom Leistungsschutzrecht profitieren sie gar nicht. Die Pressefusionen führen dazu, dass Redaktionen geschlossen werden und sie ihre Jobs verlieren.

Es gäbe ja Instrumente – zum Beispiel ein durchsetzungsstarkes Urhebervertragsrecht, mit dem wir den Journalisten etwas an die Hand geben könnten, was ihnen wirklich hilft. Es gibt sogar einen Vorschlag – fraktionsübergreifend aus der Enquetekommission. Auch wir Grüne haben einen Vorschlag gemacht. Aber dazu gibt es von der GroKo bisher nichts. Ich fordere hier im Sinne der Journalisten von Ihnen deutlich mehr Mut!

Apropos „Im Stich lassen“: Nicht nur Journalisten bekommen oft nur Hungerlöhne. Der Großteil der Kulturschaffenden arbeitet und lebt in prekären Verhältnissen. Die Kreativen haben aber mehr verdient, als Lücken in ihrer sozialen Absicherung festzustellen. Die Kreativwirtschaft boomt, und da brauchen die Kreativen ein klares Bekenntnis zur besseren sozialen und wirtschaftlichen Absicherung.

Schauen wir noch kurz auf die Filmpolitik: Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Vorgänger glücklich darüber ist, wie Sie mit seinem Erbe, dem Deutschen Filmförderfonds, umgehen. Das war ja sein Steckenpferd und – kleiner Tipp – bietet auch hervorragende Anschlussverwendungen. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an Herrn Neumann zu seiner Wahl als Präsident der Filmförderanstalt.

Sie, Frau Grütters, haben im Februar auf dem Deutschen Produzententag versprochen, dass es für die Filmförderung bei den 70 Millionen wie im Vorjahr bleiben wird. Aber im Haushaltsentwurf stehen nur noch 60 Millionen drin. Das verstehe ich nicht: Die Mittel aus dem Filmförderfonds sind doch – bekanntermaßen hervorragend investiert, denn jeder investierte Euro bringt weitere 6 Euro für die Deutsche Film-wirtschaft. Warum sie hier wortbrüchig werden, 10 Millionen streichen und dem Deutschen Film so 70 Millionen entziehen, müssen Sie bitte mal erklären.

Aber zurück zur Beauftragten für Kultur und immer noch Medien. Meine Sorge, dass die Medienpolitik nicht Ihr Herzensthema ist, sehen wir auch im Haushaltsentwurf. Es stehen viele Gaben für die Kultur drin. Manche sinnvoll, andere weniger. Und zu Medien? Eines der wenigen schönen medienpolitischen Projekte, den Computerspielpreis, ließen Sie gleich ganz zu Ihrem Kollegen, Herrn Dobrindt, wandern. Warum ist mir allerdings schleierhaft. Ich dachte immer, es handele sich hier um ein Kulturgut. Wenn jetzt beim Auto-Rennspiel „Need for Speed“ eine PKW-Maut kommt, wissen wir jedenfalls, wer es war.
Man sieht, es gäbe in der Medienpolitik eine riesige Spielwiese, auf der sich eine neue Staatsministerin für Kultur und Medien austoben könnte. Ich möchte Sie dazu ausdrücklich ermutigen.

Vielen Dank!

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