Medienvielfalt und Journalismus stärken

Die Zukunft des Journalismus wird vielerorts diskutiert. In den vergangenen Monaten wurden einige geschätzte überregionale Zeitungen eingestellt. Redaktionen werden seit Jahren verkleinert oder zusammengelegt. Regionalteile in Zeitungen eingestellt, Journalisten für on- wie offline-Formate entlassen. In vielen Regionen Deutschlands führt diese Situation zur Reduzierung des publizistischen Angebots. Auch wenn es inzwischen viele Newsportale online gibt (also eine Quantität an Plattformen, die Nachrichten verbreiten), gibt es einen Schwund journalistischer Publikationen und einen Verlust an Vielfalt. Wir haben uns demnach der Frage gestellt: Wie kann Journalismus zukünftig finanziert werden?

Das in den Bundestag eingebrachte Gesetz eines Leistungsschutzrechtes für Presseverleger überzeugt uns nicht. Wir sehen nicht, dass dieses Gesetz dazu beiträgt, Journalismus zu fördern. Abgesehen von den möglichen Kollateralschäden eines solchen Schutzrechtes im digitalen Raum, können auch die Journalisten nicht mit einer festen Beteiligung an den Einnahmen rechnen.

Eine Vielzahl unterschiedlicher  Medienangebote und –verbreitungswege, aber auch Vielfalt und Qualität im Journalismus sind der grünen Bundestagsfraktion wichtig. Wir setzen uns ein für eine auch wirtschaftlich unabhängige Presse ein, die nach den Gesetzen des Marktes funktioniert. Wir sehen gleichzeitig den gesellschaftlich-demokratischen Auftrag, den die Medien, der Journalismus und damit auch die Presse zu erfüllen haben. Daher möchte die grüne Bundestagsfraktion einen Diskurs darüber beginnen, welche Modelle und Maßnahmen es geben könnte, um die Vielfalt journalistischer Angebote zu stärken. Ob sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die vorgeschlagenen Maßnahmen zu Eigen machen, steht am Ende dieses Diskursprozesses. Es handelt sich bei den ausgewählten Instrumenten jedoch weder um radikale Eingriffe in den Markt oder die Gefahr einer Staatspresse. Unser Ziel ist es ausdrücklich nicht, eine ganze Branche zu subventionieren, die es lange versäumt hat, Geschäftsmodelle für das Internet zu entwickeln.  Es geht um eine gezielte Förderung einzelner Maßnahmen im On- wie Offline- Journalismus – unabhängig von der Plattform.

Zum Inhalt des Gutachtens

Das Gutachten „Vielfalts- und Journalismusstärkung“ des Formatt-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster erstellte Gutachten beschreibt  an welchen Stellen die Vielfaltim Pressemarkt tatsächlich bedroht ist.

Vorgestellt werden verschiedene Maßnahmen, die aus Sicht der Verfasser dazu beitragen können, die mediale Vielfalt und den Journalismus zu stärken – insbesondere im lokalen Bereich. Weiterhin prüfen die Gutachter diese Maßnahmen auf ihre Verfassungsmäßigkeit.

1.    Faktenlage

Zunächst konstatiert das Gutachten einen Rückgang der Werbeeinnahmen (2000 lagen die Werbeeinnahmen bei 6,5 Milliarden, heute sind sie bei 3,7 Milliarden. Der Verlust liegt also bei rund 40 Prozent innerhalb von zehn Jahren) und ein Absinken der Abo-Zahlen und Verkäufe bei Zeitungen (die Boulevardzeitungen um ein Drittel, die Abozeitungen um ein Fünftel).

Die Zusammensatzung des Umsatzes hat sich verdreht: Traditionell bestand der Umsatz der Zeitungen zu zwei Dritteln aus Werbung und zu einem Drittel aus dem Verkauf. Heute liegen die Vertriebserlöse bei 53 Prozent, die Werbeerlöse nur noch bei 47 Prozent. In der Folge gibt es überregional weiterhin ein sehr vielfältiges Zeitungsangebot. In der lokalen Berichterstattung gibt es aber einen starken Rückgang. Die Verbreitungsgebiete haben sich vergrößert, es muss von den Redaktionen in räumlich deutlich größeren Bereich abgedeckt werden. Heute gibt es 79 Lokalzeitungen in Deutschland, vor wenigen Jahren waren es noch 110. In den Redaktionen gab es einen erheblichen Stellenabbau von mehreren tausend Stellen.

Das Ausmaß ökonomischer Konzentration steigt, eingestellte Pressetitel verschwinden für immer, frühere Formen der Quersubventionierung werden immer seltener wahrgenommen.

2.    Presseförderung in anderen europäischen Staaten

Diverse direkte und indirekte Pressefördermaßnahmen, die im europäischen Ausland zum Einsatz kommen, werden vorgestellt und kurz bewertet. Hierzu gehören u.a. Steuererleichterungen (v.a. Mehrwertsteuerreduktion in Frankreich und anderen EU-Ländern), reduzierte Post-, Bahn-, und Telekommunikationstarife (beispielsweise Frankreich und Luxemburg,), finanzielle Unterstützung von Nachrichtenagenturen (Frankreich), oder Verkaufsstellen, Preisreduktion für Papier oder bei Sozialabgaben für Journalisten (beispielsweise in Frankreich, Luxemburg und Schweden) sowie direkte Subventionierung (beispielsweise in Österreich und Frankreich), Zuschüsse für die Online-Entwicklung und Kreditvergaben (z. B. Norwegen).

3.    Maßnahmen

  • Die Erstellung periodischer Berichte über redaktionelle Kooperationen sowie zu cross-medialen Produktions- und Anbieterstrukturen, um überhaupt eine Grundlage zur Feststellung von Defiziten und möglicher Förderung zu haben. Eine Pressestatistikwurde  1996 eingestellt. Seit dem besteht ein erheblicher Mangel an validen Daten.
  • Es wird empfohlen, eine potenzielle Mittelvergabe auf die publizistische Vielfalt im Online-Bereich zu konzentrieren. Dabei werden eine bedarfsgerechte Unterstützung sowie Hilfestellungen bei Gründungen oder der Finanzierung von neuen Online-Angeboten  (v. a. im lokalen Bereich) vorgeschlagen. Orientieren sollte man sich, so der Vorschlag, bei der Vergabe der Förderentscheide am Kriterium des besonderen publizistischen Bedarfs und der originären journalistischen Leistung.
  • Förderung der Weiterbildungsmöglichkeiten freier Journalistinnen und Journalisten und von RedakteurInnen. Speziell kleineren Verlagen sollten bei Bedarf finanzielle Hilfen hierfür zur Verfügung gestellt werden.
  • Weiterhin wird eine Förderung durch Beratung und ggf. finanzielle Zuwendungen für kleine und mittlere Verlage angeregt (zum Beispiel bei der Entwicklung eines Online- oder eines Tablet-App-Angebotes oder Organisation von Betriebsabläufen).
  • Die Errichtung von Stiftungen zur Förderung des Journalismus wird geprüft und befürwortet. Dabei wird deutlich gemacht, dass es nicht zu einem übermäßigen Einfluss einzelner Förderer kommen darf und diese transparent gemacht werden müssen. Zudem wird ausgeführt, dass Stiftungen in Deutschland eine andere Stellung als in den USA haben, wo viele Stiftungsmodelle existieren,  und daher das finanziell nötige Volumen wohl schwieriger aufzubringen sein wird.
  • Zudem sollten laut Gutachten Ombudsleute als VermittlerInnen zwischen Redaktion und Leserschaft eingesetzt werden und die Einsetzung von Ombudsleuten finanziell zu unterstützen. Hierfür müsste aufgrund von Erfahrungen im Ausland jedoch zunächst ein Kriterienkatalog über die Förderwürdigkeit erstellt werden.

4.     Juristische Voraussetzung jeglicher Verteilung von Geldern  

Die Gutachter widmen sich der Frage, wer – in Anbetracht des Gebots der Unabhängigkeit der Presse sowie der Ländergesetzgebungskompetenz in diesem Bereich – über die folgenden Maßnahmen zu entscheiden habe und entsprechende Fördermaßnahmen durchführen könne. Empfohlen wird die Einrichtung einer unabhängigen Medienkommission (ähnlich der KEF), die aus der allgemeinen Verwaltung ausgekoppelt ist.

Das komplette Gutachten können Sie hier herunterladen. Es ist lizensiert unter Creative Commons CC BY-NC-ND 2.0, Autoren Horst Röper und Prof. Bernd Holznagel.

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