Dörfer fit für Zukunft machen: Neujahrsempfang Cochem-Zell mit Themenschwerpunkt Erhalt ländlicher Räume

Wie können wir unsere Dörfer fit für die Zukunft machen? Neue Konzepte für das Dorf diskutierten Ortsbürgermeister, Bürgerinnen und Bürger, die der Einladung des Kreisverbandes der GRÜNEN Cochem-Zell zum Neujahrsempfang gefolgt sind. Referentin war die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, Sprecherin für Demografie des Bundestagsfraktion, und Referent der Landtagskandidat Andreas Hartenfels,  Landschaftsplaner.

Die Bundestagsabgeordnete Rößner bekräftigte, dass wir hier und heute handeln müssen, um positiv die sozialen Umwälzungen zu bewältigen, die der demografische Wandel verschärfen wird. Die Bevölkerungsprognosen für den Landkreis Cochem-Zell zeigen die Herausforderungen sehr deutlich: Bis 2050 wird die Einwohnerzahl von 63.000 auf 54.000 sinken; im gleichen Zeitraum wird die Anzahl der über 80-jährigen von 5.500 auf 8.500 steigen. Damit erhöht sich der Anteil Hochbetagter von 9 auf 16 Prozent. Mit den alten Konzepten könne der Staat allein die Versorgung nicht leisten. Rößner betont: „Das bürgerschaftliche Engagement ist elementar für die Dorfentwicklung. Dann entsteht Gemeinschaft und Leben im Dorf.“ Die staatliche Grundversorgung sei unabdingbar, eine lebendige Gemeinschaft aber schaffen Bürgerinnen und Bürgern, die Initiative ergreifen.

Der Landschaftsplaner und Dorfmoderator Andreas Hartenfels berichtete aus seiner selbstständigen Tätigkeit im Landkreis Kusel. Kurz vor der Realisierung steht das Dorfzentrum in Nanzdietschweiler, das von einem breiten Bündnis im Dorf getragen wird. Eine Bankfiliale, ein Dorfladen, eine Sozialstation mit betreutem Wohnen, Ferienwohnungen sowie Barriere-freie Wohnungen  und ein Café werden in einem ehemaligen Bauernhof Platz finden.  Das Projekt erhält die identitätsstiftende Bausubstanz und schafft über die wirtschaftliche Nutzung Anlässe für Begegnungen.

In Zukunft werden die Dörfer vor dem Problem der sinkenden Dichte stehen, welches die falsche Siedlungspolitik der letzten Jahrzehnte verschärft hat. Immer weniger Einwohner müssen flächig gewachsene Dörfer unterhalten. Die Mehrheitsparteien haben zwar die Innenentwicklung propagiert, aber Neubaugebiete am Dorfrand erschlossen. „ Mit diesem Kirchturmdenken der Lokalpolitik kommen wir nicht weiter“, stellt Hartenfels fest. Schlüssel für die Dorferneuerung seien: Eine vorausschauende Planung  ohne Scheu vor dem Abriss, neue Dorferneuerungsrichtlinien der Landesregierung und wirtschaftlich tragfähige Nutzungen. Wenn man Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten unter die Leute bringe, investierten die Dorfbewohner auch Zeit und Geld.

Ein Leuchtturmprojekt haben Bürgerinnen und Bürger aus Hambuch mit der „Dorfakademie Hambuch“ im Kreis Cochem-Zell ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren haben auf 280 Veranstaltungen Hambucher Bürgerinnen und Bürger Wissen und Erfahrungen weitergegeben. Aussiedler berichten in einer vollen Turnhalle über ihre Jugend in Kasachstan, Alte über ihre Erfahrungen im Krieg. Junge zeigen Älteren den Umgang mit dem Rechner und alle zusammen feiern ein Dorffest, bei dem Jede und Jeder sich einbringt. Prof. Rainer Ningel, ein Initiator der Dorfakademie, stellte fest, dass so genannte „Bedürftige“ kein Interesse an Wohltätigkeit hätten, sondern sich mit ihren Fähigkeiten einbringen möchten: „Dann entsteht Austausch und eine echte Gemeinschaft. Das Dorf lebt.“
Der Kreisverband der GRÜNEN läutete mit diesem Abend weitere Aktivitäten zur Dorferneuerung ein.  Der Neujahrsempfang bot mehr als vergorenen und unvergorenen Traubensaft, aber schon allein der Saft zeigte einen Weg der Dörfer in die Zukunft: Regionale Herkunft, biologische Erzeugung, Einbindung in soziale Projekte – und lecker! sw

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