Mainz ist die Nummer eins: Gesprächsrunde mit MRZ-Lokalchef Thomas Slotwinski

Lokales zieht. Leserinnen und Leser wollen wissen, was in ihrer Stadt passiert. Das war die Kernthese der zweiten Auflage von „Tabea talkt“. Lokalchef Thomas Slotwinski stellte im Hafeneck das neue Konzept der Mainzer Rhein-Zeitung vor, die seit dem 30. Oktober 2010 mit Mainz Themen auf der Titelseite aufmacht. Als weitere ExpertInnen diskutierten FR-Redakteur Michael Grabenströer und Katrin Eder, die Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Mainzer Stadtrat, mit Tabea.

Wie im Spionagefilm sei es gelaufen, erzählt Thomas Slotwinski. Nicht mal alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten vorher gewusst, wiie die Zeitung nach der Umstellung aussehen würde. „Natürlich wollten wir verhindern, dass die Konkurrenz sich auf unser neues Konzept einstellen kann und vielleicht was dagegen setzt.“

Gleichzeitig galt es, eine große Aufgabe zu stemmen: Die Mainzer ist nur eine von vielen Lokalausgaben der in Koblenz beheimateten Rhein-Zeitung – aber die einzige, die mit dem Lokalen auf der Titelseite erscheint. Der gesamte erste Teil – im Fachjargon Buch genannt – ist dem Lokalen gewidmet. In den Sport- und Kulturbüchern kommt die Mainzer Berichterstattung ebenfalls vor der überregionalen. Dazu müssen Seiten beziehungsweise ganze Bücher ausgetauscht werden. Auch das Inhaltliche erfordert mehr Aufwand als früher: „Wir planen vorab für jeden Tag einen Aufmacher, der stark genug ist für die Titelseite“, sagte Slotwinski.

Auf Tabes Frage, was denn die Politikredaktion dazu gesagt habe, dass der Mainzer Teil von nun an hinten erscheint, erläuterte Slotwinski: Das Konzept „Mainz ist für die MRZ die Nummer eins“ war eine strategische Entscheidung von Geschäftsführung und Redaktion. Das Haus habe also das neue Konzept gut mitgetragen und noch wichtiger: Die Reaktionen der Leserinnen und Leser waren gut. Deutlich mehr hätten wegen des neuen Konzeptes die MRZ bestellt als abbestellt. Und die Zeitung könne ihre Stärken jetzt besser ausspielen. Als Beispiel nannte Slotwinski die populären Cartoons von Klaus Wilinski. Die mussten die LeserInnen vorher suchen, jetzt sei Wilinski quasi das „Covergirl“ der MRZ, seine Karikaturen erscheinen auf Eins in Farbe.

Den Grafiker und Cartoonisten Wilinski kennen die meisten von den Wagen im Rosenmontagszug, zu denen er die Mehrzahl der Entwürfe liefert. Wilinski war unter den Gästen im proppenvollen Hafeneck. Weitere Journalistinnen und Journalisten hörten ebenso zu – darunter Heike Rost, Landesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Rheinland-Pfalz.

Tabea moderierte den Abend. „Die Zeitungskrise ist allen Ortens Thema. Der Weg der MRZ ist ein guter, diese Krise zu bewältigen“, leitete sie die Runde ein. Trotz der großen Zahl an Daten, die das Internet transportiere, brauche es kritische Medien und gut ausgebildete JournalistInnen, um Dinge einzuordnen und zu gewichten. Neutrale, kritische Medien seien ein wichtiger Pfeiler der Demokratie, ihr Erhalt daher eine wichtige Aufgabe.

FR-Redakteur Michael Grabenströer warb in dem Zusammenhang für qualitativ wertvollen Journalismus. Es brauche ausreichend Redakteure, um  das vorhandene Material kritisch zu sichten und zu bewerten. „Es reicht nicht, einfach die Seiten mit Vereinsnachrichten voll zu knallen.“  Auch eine überregionale Zeitung wie die Frankfurter Rundschau pflege Lokalberichterstattung, um LeserInnen zu binden, die zwar an bundesweiten Themen interessiert seien, aber trotzdem auch wissen wollten, was bei ihnen zu Hause passiere.

Trotz der großen Medienvielfalt in Mainz seien MRZ und Allgemeine Zeitung immer noch von zentraler Bedeutung für die Lokalpolitik der Stadt, meinte Katrin Eder. Sie ist Vorstandssprecherin und Fraktionsvorsitzende im Stadtrat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Mainz. Manchmal verblüffe es sie, wenn ihr Name nun in der MRZ auf der Titelseite erscheine. „Das Konzept fand ich aber von Anfang an sehr gut.“ Für eine Stadt spiele es eine große Rolle, ob es eine Vielfalt an Medien gebe: „Anfangs gab es nur wenig Protest gegen das Kohlekraftwerk. Erst als ein Wechselspiel zwischen ausführlicher Berichterstattung und bürgerlichem Engagement einsetzte, entstand der nötige Druck, um den Bau zu verhindern.“

Am Ende der Diskussionsrunde, an der sich auch das Publikum beteiligte, stand ein Ausblick: Wo stehen die lokalen Zeitungen in zehn Jahren? Slotwinski und Eder waren sich einig, dass wohl Formen gefunden würden, lokale Berichterstattung stärker ins Internet zu bringen. Der bekennende “Dinosaurier“ Grabenströer schwört auf den Erhalt seines Mediums: „So lange ich den Laptop nicht mit auf die Toilette nehmen will, so lange gibt es auch einen Markt für Zeitungen.“

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