Rede vor der Bundestagsfraktion zum Kohlekraftwerk Mainz – Klausur der Bundestagsfraktion, 10.09.2010

– es gilt das gesprochene Wort –

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich möchte den heutigen Tag und die Diskussion über unser grünes Energiekonzept nutzen, um Euch ein Thema vorzustellen, das in Mainz über Jahre ein großes Reizwort darstellte: das Kohlekraftwerk. Das kommunale Unternehmen Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG – ein Tochterunternehmen der beiden Stadtwerke von Mainz und Wiesbaden – wollte es in Mainz direkt am Rhein bauen, an der Grenze zu Wiesbaden – also mitten in einem Ballungsgebiet mit rund 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf engstem Raum.

Das Thema hat hohe Wellen geschlagen. Große Demonstrationen, zahlreiche Aktionen, Protestkundgebungen, weit über 1000 Zeitungsartikel und Beiträge in Funk und Fernsehen sowie ein gutes Dutzend Abstimmungen in den Parlamenten der beiden Städte Mainz und Wiesbaden.

Das war nicht selbstverständlich. Als die Planungen bekannt wurden, interessierte es kaum jemanden. Unsere erste Veranstaltung im Mai 2005 war nur spärlich besucht – vor  allem von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens. Als die KMW das Kohlekraftwerk im Juli 2006 in einer Pressekonferenz vorstellte, war die Medienresonanz überschaubar. Die Öffentlichkeit nahm wenig Anteil. In Mainz unterstützten CDU, SPD und FDP den Bau.

Doch ganz allmählich wurden die Pläne bekannt. Eine Bürgerinitiative Kohlefreies Mainz gründete sich. Die gängige Abkürzung lautete Koma. Rainer Baake hat später einmal zurecht gesagt, keine Initiative habe je einen unpassenderen Namen getragen. Denn die Koma war so aktiv, dass sie wirklich das Gegenteil von Koma waren. Es gründeten sich noch viele weitere Initiativen, Ärzte schlossen sich zusammen und bewerteten mögliche gesundheitliche Risiken, denen die Bevölkerung durch das Kohlekraftwerk ausgesetzt sein würde. Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler begutachteten die wirtschaftlichen Berechnungen. Die Umweltverbände erhöhten den Druck. Und es gründete sich ein breit getragenes Klagebündnis. Eine richtige Bürgerbewegung gegen die Planungen!

In den folgenden drei Jahren hat der Kampf gegen das Kohlekraftwerk beide Städte politisch umgepflügt. Wir übten publizistischen Druck aus, die CDU schwenkte um und trat nun auch gegen das geplante Kohlekraftwerk auf und zusammen hatten wir plötzlich im Stadtrat eine Mehrheit gegen den Bau. Und so gab es auf einmal ein öffentliches Bewusstsein für das Thema Energiegewinnung. In den Medien, aber auch in der Öffentlichkeit.

Das Sachwissen, das sich in den Initiativen fand, war beeindruckend. Eine eigene Gruppe beschäftigte sich so intensiv mit den öffentlich zugängigen Papieren der KMW und fand dabei so viel heraus, dass die Genehmigungsbehörde zwischenzeitlich mutmaßte, es säße ein Spitzel in ihren Reihen. Andere aus den Gruppen bereiteten die drohenden Prozesse vor. Zerpflückten die wirtschaftlichen Konzepte und sprachen die Banken an, die den Bau finanzieren wollten.

Unter den vielen Schritten war das letztlich der erfolgreiche. Eine britische Bank sprang ab und zwang die KMW so, dass Kohlekraftwerk auf Eis zu legen. Manche fürchten immer noch, es werde irgendwann aufgetaut. Doch die Zeichen mehren sich, dass die KMW mittlerweile umgedacht hat. Lange genug hat es gedauert.

Für uns GRÜNE hat die frühe klare Positionierung und der konsequente Kampf gegen das Kohlekraftwerk viel Gutes gebracht. Das offensichtlichste: Wir haben 2009 bei der Kommunalwahl 21,9 Prozent geholt und stellen mit Günter Beck den Bürgermeister. Wir haben aber auch als Partei gewonnen. Viele Kraftwerksgegnerinnen und -gegner sind mittlerweile bei den Grünen eingetreten und beleben mit ihrer inhaltlichen Arbeit und ihrem Sachverstand die Partei. Das ist ein unschätzbar wertvoller Impuls und neue Kreativität für unsere Partei.

Seit Januar sitze ich im Aufsichtsrat der KMW. Das hat Nachteile. Konnten wir vorher ungehemmt auf die steinkohlezeitliche Firmenpolitik der KMW einprügeln, zwingt das Aktienrecht mich jetzt zu der ein oder anderen Zurückhaltung. Damit umzugehen, ist auch ein Lernprozess. Die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat bietet aber mehr Vorteile. Haben wir Grünen früher fassungslos und auch hilflos vor der KMW-Politik gestanden, können wir sie jetzt mitgestalten. Und die Chancen, dass ein Kohlekraftwerk auf Mainzer Boden gebaut wird, sind so deutlich gesunken. Ich hoffe, dass wir das Kohlekraftwerk bald endgültig zu Grabe tragen können.

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