Anhörung zum Leistungsschutzrecht. Was will es, was kann es?
Zum Leistungsschutzrecht hat das Bundesjustizministerium im Juni 2010 zu einer Anhörung geladen. Ich hatte mir erhofft, dass dort Licht in das Dunkel des Vorhabens kommen würde. Leider wurde keine der aufgeworfenen Fragen wirklich geklärt. Schon gar nicht vonseiten des Ministeriums. Dieses war – so schien es – selbst Fragender bei der hauseigenen Anhörung. Jedenfalls kamen die Antworten ausschließlich von der Kanzlei, die im Auftrag der Presseverleger eine Gesetzesvorlage erarbeitet. Und sie blieben nach wie vor etwas schwammig. Zwar ist klar, dass es den Verlegerinnen und Verlegern doch und vor allem um “Snippets” geht – also die Nutzung kleiner Artikelschnippsel durch Google News und andere Aggregatoren. Die gewerbliche Nutzung eines Teils der verlegerischen Leistung (vor allem aber auch: einer Leistung des Autors oder der Autorin) soll lizenzpflichtig werden. Und da keiner die Lizenzen freiwillig erwerben wird, soll die gewerbliche Nutzung durch Unternehmen “vermutet” und daher pauschal von diesen bezahlt werden. Das bedeutet im Grunde eine Abgabe auf den unternehmerischen Breitbandanschluss. Bezahlt werden müsste dann letztendlich das einfache Ansehen, von dem angenommen wird, dass es irgendwie zum Gewinn des Gewerbes gemacht wird. Soviel wäre damit klar – oder auch nicht.
Was soll nun die verlegerische Leistung sein? Ein redaktionell erstellter Teaser plus Überschrift plus Quellenverweis (inkl. html-Code), der unmittelbar von der Originalquelle übernommen wird. Und die Begründung, warum das bisherige, in den meisten Fällen durch die Journalistinnen und Journalisten abgetretene Nutzungsrecht nicht ausreicht, ist, dass eben genau bei Snippets die Kürze nicht für den urheberrechtlichen Schutz ausreicht, man also gegen die Verwertung von Snippets derzeit nichts tun kann.
Das klingt danach – und so wurde es ja auch von den Kritikerinnen und Kritikern geäußert, dass die Verlage teil haben wollen an den Werbeeinnahmen, die Google generiert, indem es (was im übrigen eine ebenfalls nicht von der Hand zu weisende Eigenleistung ist) die News und Infos übersichtlich bündelt und zugänglich macht.
Nicht vergessen werden darf jedoch, dass die Verlage – vor allem die Kleinen, die bei der Diskussion nicht im Rampenlicht stehen – massive Existenzprobleme haben. Die Gründe sind bekannt: Ja, sie haben die Digitalisierung und die Möglichkeiten der Monetarisierung zu spät für sich entdeckt. Die Verlage leiden aber auch darunter, dass Werbekunden wegen der “Mehrklick”-Garantie lieber bei Google als im gedruckten Blatt oder der Online-Ausgabe werben. Von 1998 auf 2008 ging der Werbeumsatz um 1,7 Mrd. Euro oder 27,9 Prozent zurück. Aufgrund des Internets und der dort vorhandenen kostenlosen Angebote gehen außerdem viele Stammleserinnen und -leser verloren. Selbst Boulevardzeitungen haben von 1993 bis 2008 gut 26 Prozent ihrer Auflage eingebüßt. Massive und meist von den Leserinnen und Lesern unbemerkte inner-redaktionelle Konzentrations- und Rationalisierungsprozesse sind die Folge. Die Medienvielfalt im regionalen und lokalen Bereich ist definitiv in höchster Gefahr. Aber auch die Vielfalt im Überregionalen büßt mehr und mehr ein – siehe das nahezu identische Angebot der Berliner Zeitung und der Franktfurter Rundschau. Als Medienpolitikerin sehe ich mich dazu aufgefordert, diese Probleme ernst zu nehmen. Meine Position kann nicht sein: das Internet hat die Voraussetzungen verändert, seht zu, wie Ihr klarkommt.
Vielmehr sage ich: ja, die Verlage sind aufgefordert, über neue Geschäftsmodelle nachzudenken. Das tun sie auch und im Zuge von iPad wagen sie sich sogar noch einmal an Paid Content. Daneben aber müssen wir uns überlegen, welche politischen Steuerungsmöglichkeiten wir haben, die Medienvielfalt und die journalistische Qualität zu erhalten. Dabei kann das Leistungsschutzrecht ganz bestimmt kein alleiniger Heilsbringer sein. Vielmehr müssen wir über andere und weitergehende Lösungsmöglichkeiten nachdenken, das ist ganz klar. Dennoch bin ich um jede Redakteursstelle dankbar, die erhalten bleiben kann, weil ein Verlag über ein Leistungsschutzrecht Zusatzeinnahmen generiert. Und wenn die Journalistinnen und Journalisten über die VG Wort angemessen an den Einnahmen beteiligt werden, das Urheberrecht nicht geschwächt wird und die Verlage sich darauf einlassen, keine Total-Buy-Out-verträge mehr abzuschließen, dann werde ich mir überlegen, ob das Leistungsschutzrecht ein Baustein in einem Gesamtpaket zum Erhalt medialer und journalistischer Vielfalt sein kann.
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