Rede von Tabea Rößner zur Breitbandpolitik der Bundesregierung vom 25.11.2016

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Dobrindt, jetzt sprechen wir einmal Tacheles.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)

Der Breitbandausbau in Deutschland geht nur kriechend voran, und dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Von Ihnen gibt es zwar tolle Zahlen, aber nur die halbe Wahrheit. Die ganze lautet nämlich: Zurzeit können nur 70 Prozent der Haushalte mit 50 Megabit surfen; im ländlichen Raum sind es sogar nur ein Drittel der Haushalte. Wie wollen Sie innerhalb eines Jahres die fehlenden zwei Drittel ausbauen? Dabei handelt es sich um Gebiete, in denen der Ausbau besonders teuer und zeitintensiv ist. Die volle Wahrheit ist: Sie werden Ihr Breitbandziel nicht erreichen. Das ist eines der Ergebnisse unserer Kleinen Anfrage. – Und eine Bitte: Wenn Sie das nächste Mal die Antworten auf eine meiner Kleinen Anfragen rausschicken, dann berücksichtigen Sie, dass meine Mailanschrift nicht „redaktion@passauerneuepresse.de“ lautet.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein anderes Ergebnis ist übrigens, dass wir beim Glasfaserausbau total hängen. Nur 7 Prozent der Haushalte haben Zugang zu einem Glasfaseranschluss. Damit macht sich der Wirtschaftsstandort Deutschland doch komplett lächerlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Überall, wo Kameras stehen, verkünden Sie, Herr Dobrindt, den Aufbruch in die Gigabitgesellschaft. Sie wissen aber schon, dass das nur mit Glasfaser geht, oder? – Offenbar nicht. Mit Ihnen verharren wir nämlich in der Megabitsteinzeit. Ihr Kalkül war klar: Sie wollten den schnellen Erfolg. Wir sagen: Wir brauchen die erfolgreiche Schnelligkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Herbert Behrens (DIE LINKE))

Ihr sogenanntes Bundesbreitbandförderprogramm hat seinen Namen nicht verdient. Beim verzweifelten Versuch, Ihr Breitbandziel irgendwie zu erreichen, pumpen Sie Milliarden in veraltete Technologien. 85 Prozent der bisherigen Förderung gingen in Wirtschaftlichkeitslückenmodelle. Im Zweifelsfall bekommt das Geld dann noch die Telekom – so wie in Bayern, wo vier von fünf Aufträgen an das Unternehmen in Magentafarbe gingen. Ausgerechnet an die Telekom, die mit Vectoring den Glasfaserausbau gerade verhindert! Sie haben die Kriterien Ihres Förderprogramms so festgelegt, dass es vor allem um die 50 Mbit und die Fertigstellung bis 2018 geht – gemäß dem Motto „Nach mir die Sintflut“. Wir haben das kritisiert, die Verbände haben das kritisiert, und der Bundesrechnungshof hat das kritisiert. Trotzdem haben Sie kein Einsehen. Das, was Sie machen, Herr Dobrindt, ist rückwärtsgewandt und hat mit nachhaltigem Investieren aber auch gar nichts zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Telekom tanzt Ihnen auf der Nase herum. Erst bekommt sie maßgeschneiderte milliardenschwere Förderprogramme. Dann erhält sie noch exklusives Vectoring im Nahbereich, womit sie noch auf Jahre hinaus die alten Kupferkabel „melken“ kann. Und als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk gibt es noch ein Eckpunktepapier der Netzallianz, in dem dank Telekomintervention gestrichen wurde, dass man bis 2025 flächendeckend gigabitfähige Anschlüsse bereitstellen will.

Vizepräsident Johannes Singhammer:

Frau Kollegin Rößner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dorothee Bär?

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gerne doch, Doro.

Dorothee Bär (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Kollegin, sind Sie mit mir nicht auch der Auffassung, dass Sie selber nicht glauben, was Sie erzählen, was unser Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau betrifft? Können Sie auch bestätigen, dass Sie 2013 noch der Meinung waren, dass 6 Mbit/s flächendeckend in Deutschland für immer ausreichend sein werden? Können Sie mir irgendeinen Bürgermeister oder irgendeinen Landrat in Deutschland nennen, der nicht mit unserem Breitbandprogramm zufrieden ist?

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da könnte ich viele aufzählen!)

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Da kann ich ganz viele nennen, liebe Kollegin Bär. Ich habe erst gestern welche getroffen, beim BREKO zum Beispiel. Die sind mit dem Förderprogramm überhaupt nicht zufrieden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Lobby!)

‑ Nein, das ist ein Verband, der sich damit intensiv auseinandersetzt. – Aber ich spreche auch mit dem vatm, ich spreche mit der Telekom, ich spreche mit ganz vielen unterschiedlichen Unternehmen, und ich spreche vor allen Dingen mit den Kommunen. Die sind nämlich nicht zufrieden. Überwiegend wollen die das Betreibermodell voranbringen, und das sieht Ihr Förderprogramm leider nicht vor. Nur 24 Projekte insgesamt sind Betreibermodelle.

(Kirsten Lühmann (SPD): Also sieht es das doch vor! – Weiterer Zuruf von der SPD)

‑ Doch, das sagen genau die Antworten auf unsere Kleine Anfrage, die Sie mir geschickt haben. – Ich würde jetzt gerne weitermachen. Ich glaube, da kommen wir heute nicht zusammen.

Kirsten Lühmann (SPD): Die Fakten, das wäre schon schön!)

Die Netzallianz hat getagt, und auf Intervention der Telekom wurde gestrichen, dass gigabitfähige Anschlüsse bis 2025 flächendeckend bereitgestellt werden sollen. Dass Sie das Ganze dennoch als Fahrplan in die Gigabitgesellschaft verkaufen wollen, ist eigentlich ein großer Witz, wenn es nicht so traurig wäre.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die ganzen Vorgänge zeigen heute mehr denn je: Der Bund sollte sich schleunigst von seinen Telekomaktien trennen. Es kann doch nicht sein, dass ein Unternehmen, das zu einem Drittel in Staatshand liegt, von eben jenem Staat ein Geschenk nach dem anderen bekommt. Wie soll denn der Bund noch unabhängig regulieren, wenn er gleichzeitig immer hübsch Dividenden bekommt? Die Vorgänge rund um das Vectoring zeigen: So funktioniert es nicht. Sie haben sich erpressbar gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat der Bund seine Anteile sogar noch leicht aufgestockt, obwohl selbst namhafte Vertreter der Union mit uns einer Meinung sind und sagen: Verkauft die Aktien und investiert das Geld in den Glasfaserausbau! – Das wäre ordnungspolitisch sauber und endlich eine zukunftsweisende Breitbandpolitik. Aber die ist mit Ihnen leider nicht zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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