Bericht zu den Fachgesprächen Kultur- und Kreativwirtschaft

Zu gleich zwei internen Fachgesprächen hatte Tabea am 23. und 26. September 2016 Vertreterinnen und Vertretern der Kreativwirtschaft nach Berlin eingeladen.

Gemeinsam wurden vier größere Themenblöcke diskutiert: Selbstorganisation, Gründungsförderung, soziale Lage und durchsetzbare Rechte. Dabei ging es um die Rahmenbedingungen für Kreativschaffende in einer sich rapide digitalisierenden und verändernden Welt. Der Fokus lag hierbei vor allem auf Soloselbstständigen, das heißt Ein-Personen-Unternehmen und Freischaffenden.

Kreativimpuls I: Selbstorganisation und Gründungsförderung

Im ersten Block ging es am ersten Tag um die Selbstorganisation, also: Wie vernetzen sich Kreativschaffende untereinander und unterstützen sich gegenseitig – jenseits von offiziellen Strukturen wie z. B. Gewerkschaften.

Lisa Jopt, Schauspielerin und Mitgründerin des „Ensemble-Netzwerks“, gab einen lebendigen Überblick über die Schwierigkeiten, mit denen Schauspielerinnen und Schauspieler zu kämpfen haben und mit welchen Maßnahmen sich der Zusammenschluss des Ensemble-Netzwerks gegen die bestehenden Missstände gewandt hat. „Mit Kommunikation kann man viel lösen“, stellte Frau Jopt fest. „Wir wollen nicht immer nur meckern, sondern auch ganz konkrete Lösungsvorschläge machen.“ Christian Rost vom „Büro für Urbane Zwischenwelten“ berichtete von verschiedenen lokalen Initiativen Kreativschaffender, wie Kreatives Leipzig oder Kreatives Chemnitz. Auch wenn die einzelnen kreativen Teilbranchen sehr unterschiedlich seien, so gebe es doch immer einen kleinsten gemeinsamen Nenner, der für die gemeinsame politische Interessenvertretung wichtig sei. In der sich an die Vorträge anschließenden Diskussion tauschten sich die anwesenden Kreativschaffenden über die akuten Probleme der unterschiedlichen Branchen aus. Vielerorts würden z. B. Tarif- und Vergütungsregelungen oder Mindesthonorare nicht eingehalten. Daher haben sich in der Journalisten- und der Schauspielbranche Initiativen gegründet, die sich gemeinsam, über Beschäftigungsverhältnisse hinweg, für faire Bezahlung und Öffentlichkeitsarbeit für die eigenen Belange einsetzen. Aus vielen Branchen wird auch der Ruf nach einem Verbandsklagerecht laut. Dies würde gewährleisten, dass einzelne Aktive für ihr Engagement in ihrem Bereich nicht auf eine schwarze Liste gesetzt würden und sich so langfristig die Karrieremöglichkeiten ruinierten.

Im zweiten Teil ging es um Gründungsförderung für kreative Soloselbstständige.

Josephine Hage, Projektmanagerin aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, betonte in ihrem Input, dass in vielen Bereichen die Datenlage für die Kultur- und Kreativwirtschaft sehr unzureichend sei. Wer beispielsweise ein von der Rechtsform her nicht-eintragungspflichtiges Unternehmen gründe, tauche im Monitoring der Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht auf. Und obwohl jede achte Unternehmensgründung in Deutschland derzeit in der Kreativbranche erfolge, werde beispielsweise auch die Kredithürde für Soloselbstständige im ifo Konjunkturtest nicht erfasst. Dabei ist bereits seit langem bekannt, dass der Zugang zu Kleinstkrediten für Soloselbstständige ein großes Problem ist. Hinzu kommt, dass für Kleinstunternehmen der Antragsaufwand für die Gründungsförderung oft zu hoch ist. Laut Josephine Hage sind nicht unbedingt neue Förderprogramme vonnöten, sondern eher mehr Gründungscoaching und Wissensvermittlung für in die Selbstständigkeit startende Kreative. So bräuchte es u. a. mehr Universitäten, die Absolventinnen und Absolventen in den Jahren nach dem Abschluss auf dem Weg in die Selbstständigkeit betreuten. Einige Universitäten in Dresden, Weimar und Hamburg sind hier bereits mit wegweisenden Programmen an den Start gegangen. Im Anschluss sprach Karsten Wenzlaff vom Bundesverband Crowdfunding über die vielen unterschiedlichen Varianten von Crowdfunding, die Kreativen heute zur Verfügung stehen, um ihre Projekte zu finanzieren. „Crowdfunding löst noch nicht alle Probleme, zeigt aber viele innovative Ansätze auf“, erklärte Karsten Wenzlaff. Hier wären vor allem mehr Modelle einer Co-Finanzierung vielversprechend, wie es sie bereits in Schweden gibt. Dort werden Gelder, die durch Crowdfunding gesammelt werden, in gleicher Höhe vom Staat ergänzt.

Kreativimpuls II: Soziale Absicherung und durchsetzbare Recht

Beim zweiten Fachgespräch am Montag, den 26.09.2016 lag der erste Schwerpunkt auf dem Thema soziale Absicherung. Die Soziologin Lisa Basten hat für ihr neues Buch „Wir Kreative“ viele Interviews mit Kreativschaffenden geführt und Daten und Fakten zusammengetragen. Sie konstatiert, dass die staatlichen Absicherungssysteme derzeit immer noch von einer Vollbeschäftigung ausgingen. Dies entspreche aber nicht der kreativen Arbeit, die oftmals in zeitlich begrenzten Projekten stattfinde. Im Anschluss wurde kontrovers über viele Aspekte und Fragen der sozialen Absicherung diskutiert: Sollte man vielleicht die Zahl der Kreativschaffenden staatlich beschränken, die aus den Hochschulen auf den Markt drängen, um ihnen ein Auskommen und eine Absicherung garantieren zu können? Gibt es eine Pflicht zu unternehmerischem Denken? Ist also Jede und Jeder für sich selbst verantwortlich und einfach selbst schuld, wenn er oder sie von den erwirtschafteten Gewinnen nicht in der Lage ist, z. B. fürs Alter vorzusorgen? Sollte man die staatlichen Absicherungssysteme komplett neu denken und auf die Bedürfnisse der stark anwachsenden Kreativbranchen zuschneiden? Viele der anwesenden Kreativschaffenden äußerten, dass für sie eine der zentralen Schwierigkeiten darin bestünde, dass sie keine Streik- oder Verhandlungsmasse hätten: Im Zweifelsfalle würde sich immer jemand finden, der einen kreativen Auftrag für noch weniger Geld ausführen würde, was die Preise in dieser Branche immer weiter nach unten drücke.

Im anschließenden und letzten Schwerpunkt zu durchsetzbaren Rechten von Kreativen sprach Matthias Hornschuh, Komponist und Vorsitzender von mediamusic e.V., über die sich verändernden Wertschöpfungsketten bei MusikerInnen und KomponistInnen. „Kein Komponist lebt heute vom Komponieren“, führte er aus. Nur durch die Lizenzvergütungen könnten KomponistInnen überhaupt Geld verdienen. Die Versprechen der Digitalisierung würden sich für diese Branche nicht einlösen, da es für KomponistInnen keine neuen Geschäftsmodelle gäbe. Entgegen der öffentlichen Diskussion ginge es nicht darum, KonsumentInnen abzumahnen, aber es müsse darüber nachgedacht werden, wie besser lizensiert werden könne. Auch an den Kurzvortrag von Matthias Hornschuh schloss sich eine kontroverse und lebhafte Diskussion zu den angesprochenen komplexen Schwierigkeiten an.

Wir freuen uns, dass wir von den Teilnehmenden der beiden Veranstaltungen so viel positives Feedback für die allgemeine Stimmung und die spannenden Diskussionen erhalten haben!

Die vielen angesprochenen Schwierigkeiten und Lösungsvorschläge nehmen wir jetzt auf und entwickeln daraus eine Positionierung. Wir danken allen Gästen für ihre Teilnahme und ihr Engagement!

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