Bundesregierung drückt sich vor Verantwortung

Der Demografiegipfel der Bundesregierung hat alle Erwartungen bestätigt: Diese Regierung hat das Handeln eingestellt, Angela Merkel setzt auf Beruhigungspillen in Form leerer Worthülsen.

Neun Arbeitsgruppen, die im Rahmen des ersten Demografiegipfels im vergangenen Oktober eingesetzt wurden, haben am 14. Mai 2013 ihre Ergebnisse in Berlin vorgestellt. Dabei benennen sie Ziele, die zwar nicht wirklich neu sind, aber grundsätzlich in die richtige Richtung gehen. Die Arbeitszeitsouveränität von Müttern und Vätern zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll erhöht werden, selbstbestimmtes Altern gefördert werden, die stille Reserve der nicht erwerbstätigen Frauen ausgeschöpft oder auch qualifizierte Zuwanderung erhöht werden. Die Wegbeschreibungen dorthin sind jedoch eine Farce. So sollen etwa die Gestaltungspartner wie Gewerkschaften und Familienverbände bestehende tarifliche Regelungen zu besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekannter machen, es sollen vorbildliche Praktiken zur Vereinbarkeit besser zugänglich gemacht und in die Breite getragen werden. Zudem wird – wie auch bereits beim Familiengipfel am 12. März angekündigt – alle zwei Jahre ein Bericht zu „Familie und Beruf“ von der Bundesregierung und den Sozialpartnern erarbeitet. Was für ein Fortschritt: noch ein Bericht! Die Bundesregierung drückt sich komplett vor ihrer Verantwortung und begnügt sich mit der Bekanntmachung von bereits Bestehendem und Appellen an die Wirtschaft.

Um die zukünftige Fachkräftebasis zu sichern, soll die „stille Reserve“ der nicht erwerbstätigen Frauen aktiviert werden. Dafür wollen die Bundesregierung und Bundesagentur für Arbeit nun prüfen, durch welche Angebote sich Frauen erfolgreich ansprechen und für einen Wiedereinstieg interessieren lassen. Als Lösung wird ein altbekanntes Programm, die „Perspektive Wiedereinstieg“ präsentiert und auf die 2011 von der Bundesregierung gemeinsam mit DGB, BDA, DIHK und ZDH unterzeichnete „Charta für familienbewusste Arbeitszeiten“ verwiesen.

In ihrer Rede wirft die Kanzlerin schließlich noch das so wichtige Rückkehrrecht auf Vollzeit in den Raum. Leider mit dem Zusatz: „Die Wirtschaft scheint noch nicht so weit zu sein.“ Wir haben dem Bundestag bereits im März einen Antrag zum Rückkehrrecht auf Vollzeit vorgelegt. Er wurde von der Regierungskoalition, die die Verantwortung nun an die Wirtschaft abgibt, leider abgelehnt.

Um selbstbestimmtes Altern zu ermöglichen, wird als Kernmaßnahme der Bundesregierung das Förderprogramm „Altersgerecht umbauen“ genannt, dass sie jedoch längst selbst gekürzt hat. Angela Merkel führt als Leuchtturmprojekt und Dreh- und Angelpunkt für verschiedenste Projekte zur Gestaltung des demografischen Wandels schließlich die Mehrgenerationenhäuser an. Um sie herum, soll sich etwa auch die neugeschaffene Allianz für Menschen mit Demenz ansiedeln. Deren Förderung läuft jedoch im kommenden Jahr aus und bereits jetzt können sich viele nicht mehr finanzieren: statt ursprünglich über 500 werden nur noch 450 Mehrgenerationenhäuser gefördert. Nach dem Auslaufen der Bundes- und EU-Förderung Ende 2014, werden die meisten Häuser ohne zusätzliche Mittel voraussichtlich schließen müssen.

Und schließlich fällt Angela Merkel auf, dass Deutschland zwar laut OECD sehr gute Bedingungen für Zuwanderung aufweist, sein Ruf jedoch überaus schlecht ist. Welch überraschende Erkenntniss, nachdem der Innenminister Friedrich noch auf derselben Veranstaltung in klassischer CDU-Manier vor unkontrollierter Einwanderung warnte. So wird es schwierig mit der von der Bundeskanzlerin geforderten Willkommenskultur.

Den Höhepunkt liefert schließlich Verkehrsminister Ramsauer, als er erklärt, für die soziale Teilhabe Älterer wäre als wichtiger Faktor der Busverkehr freigegeben worden und Fernbusse verbinden nun München mit Berlin. Damit verkennt er leider vollkommen die Realität älterer Menschen im ländlichen Raum, die durch weite Wege zum Arzt oder zum Einkaufen bei nicht vorhandenem ÖPNV von der sozialen Teilhabe abgeschnitten sind, und nicht etwa durch fehlende Fernbusse.

So lassen sich auch die weiteren in der Demografiestrategie genannten Felder – altersgerechtes Arbeiten, Sicherung der Daseinsvorsorge, Förderung von Bildungsbiografien und der öffentliche Dienst als Vorbild – durch deklinieren. Es wird viel Richtiges und Wichtiges genannt, aber die Bundesregierung drückt sich vor der Verantwortung und der Umsetzung. Es gibt genügend Berichte und Zustandsbeschreibungen, wichtig sind jetzt Taten!
Ideen für mehr Taten finden sich beispielsweise in unserem Antrag: Mit einem Nationalen Aktionsplan die Chancen des demografischen Wandels ergreifen

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