Presse-Grosso erhalten: Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht verankern

Am 27. Juni 2012 findet im Ausschuss für Wirtschaft eine Anhörung zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) statt. Wir sehen die Änderungen bei der Pressefusionskontrolle kritisch und fordern eine gesetzliche Absicherung des Presse-Grossos im GWB.

Dieses Gesetz ist wichtig für die Medienpolitik: Da wegen des Gebots der Staatsferne kein Einfluss auf Inhalte genommen werden darf, sind kartellrechtliche Rahmenbedingungen ein Hilfsmittel, um strukturelle Vielfalt zu erhalten und zu verhindern, dass große Verlage kleinere Verlage ohne kartellamtliche Kontrolle aufkaufen können.

Zur Pressefusionskontrolle

Weil Verlage keine Ware wie Zahnpasta verkaufen, sondern mit ihren Produkten zur Meinungsbildung beitragen, sind ihre Fusionsbedingungen im GWB restriktiver als die anderer Unternehmen. Bislang müssen Presseunternehmen ihren gemeinsamen Umsatz mit dem Faktor 20 multiplizieren. Sie fallen also relativ häufig mit ihrem Umsatz in einen Bereich, in dem die kartellamtliche Anmeldung und Genehmigung eines Fusionsverfahrens notwendig ist. Die Bundesregierung will das ändern. Im aktuellen Gesetzentwurf zum GWB senkt sie die „Presserechenklausel“ von 20 auf 8 ab und ermöglicht damit mehr Verlagen, ohne kartellamtliche Prüfung zu fusionieren. Wir sehen das kritisch, denn zum einen bedeutet eine kartellamtliche Prüfung keine Untersagung, Fusionen sind also auch jetzt schon möglich. Zum zweiten vermissen wir eine valide Datenbasis im Medienbereich und eine umfassende Analyse der tatsächlichen Nutzungen. Erst dann kann man beurteilen, ob Fusionserleichterungen das richtige Instrument sind, um dem Vielfaltsgebot, das sich aus Art. 5 GG ableitet, gerecht zu werden und ob angesichts crossmedialer Verflechtungen das Instrument des Kartellrechts überhaupt noch ausreicht.

Die Bundesregierung will den abgesenkten Multiplikationsfaktor auch auf Bagatellmärkten (das sind Märkte mit auf denen seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf dem im letzten Kalenderjahr weniger als 15 Millionen Euro umgesetzt wurden) anwenden. Hierdurch wird es Großverlagen noch leichter gemacht, kleine und mittlere Zeitungsverlage aufzukaufen. Wir lehnen die Anwendung auf den Bagatellmarkt daher ab (siehe dazu auch unser Antrag zum GWB).

Es steht zudem zu befürchten, dass im parlamentarischen Verfahren die sogenannte „Sanierungsfusion“ noch hineinverhandelt wird. Auch dieser Vorschlag entstammt – wie die anderen Änderungen – der Feder der Verlage selbst, die die Bedingungen von Verlagsübernahmen bei angeschlagenen Verlagen erleichtern wollen. Aus unserer Sicht ist auch dieser Vorschlag abzulehnen. Denn Sanierungsfusionen sind bereits jetzt mit dem Kartellamt möglich.

Die Bundesregierung hätte gut daran getan, beim Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) bereits vorhandene Studien und Datenbanken zu nutzen und eine Gesamtanalyse der Situation auf den Medienmärkten vorzulegen. Auf Grundlage dessen hätte man entscheiden können, welches die richtigen Instrumente zur Förderung von Vielfalt in den Medien die richtigen sind.

Zur gesetzlichen Absicherung Presse-Grosso

Der Bauer-Verlag hat es mit seinem Gang durch die Gerichte geschafft, das System des Presse-Grosso in Gefahr zu bringen. Die Presse-Grossisten sorgen auf Grundlage einer gemeinsamen Erklärung von 2004 dafür, dass alle Zeitungs- und Zeitschriftenartikel in Kiosken und in Supermärkten zu gleichen Konditionen gleichberechtigt Zugang zu den Verkaufsregalen finden. Verbraucherinnen und Verbraucher haben damit mehr Auswahl als nur zwischen Bravo und der Bunten. Dem Bauer-Verlag ist das System zu teuer, es möchte außerdem ermöglichen, mit eigenen Verlags-Grossisten den existierenden Grosso-Unternehmen Konkurrenz zu machen.

Im Moment sieht es nicht danach aus, als ob die Bundesregierung das Presse-Grosso gesetzlich verankern möchte, sie geht zielstrebig auf eine erneute Branchenvereinbarung zu. Für uns Grüne ist eine solche nicht ausreichend, wir fordern in unserem Presse-Grosso-Antrag und im GWB-Antrag eine gesetzliche Absicherung. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Verlage sich in Zukunft an Vereinbarungen halten. Und dann ist die Neutralität beim Presse-Vertrieb nicht genügend gesichert.

Unser Antrag hier.

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