Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: Alles auf Anfang! Und: alle sind gefragt!

Was ist der JMStV?
Der „Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien“ (Jugendmedienschutzstaatsvertrag, JMStV), ist ein zwischen den Bundesländern und den Rundfunkkommissionen der Länder geschlossener Vertrag. Die Landesparlamente sind an seiner inhaltlichen Ausarbeitung nicht beteiligt. Die Verhandlungen führen üblicherweise die Staatskanzleien und die Ministerpräsidenten selbst. Der JMStV regelt den Jugendschutz in allen elektronischen Medien, sprich Rundfunk und Telemedien (Internet). Er enthält u. a. Verbreitungsverbote und Verbreitungsbeschränkungen für jugendgefährdende Inhalte. Der erste JMStV vom 10. September 2002 trat am 1. April 2003 in Kraft. Am 10. Juni 2010 hatten die Ministerpräsidenten nach langen Verhandlungen eine Novelle beschlossen. Diese ist nun durch eine Ablehnung Nordrhein-Westfalens gescheitert.

Was wollte die JMStV-Novelle?
Die Novelle wollte insbesondere die Wahrnehmung von entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten im Netz für Kinder und Jugendliche erschweren. Wer Inhalte im Internet anbietet, darf extreme Inhalte gar nicht anbieten (dazu gehören Verstöße gg die Menschenwürde, Kriegsverherrlichung, sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen), darf andere schwer entwicklungsbeeinträctigende Inhalte (zB indizierte) nur Erwachsenen zugänglich machen und er muss bei sonstigen entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche sie nicht wahrnehmen (welches Mittel er dafür wählt, bleibt ihm  -und wäre ihm auch beim neuen JMStV- selbst überlassen geblieben). Die Idee des JMStV war, dies durch eine flächendeckende Alterskennzeichnung der Seiten im Internet einerseits und durch Jugendschutzprogramme zuhause am Rechner andererseits zu gewährleisten. Die Jugendschutzprogramme hätten dann die Alterseinstufungen erkennen und – je nach Einstellung des Programms –  filtern sollen.

Das klingt zunächst schlau, weil es die Verantwortung an Anbieter und Eltern abgibt, anstatt eine staatliche Sperr-Infrastruktur zu schaffen, wie dies beim „Zugangserschwerungs-Gesetz“ der Bundesregierung der Fall war. Auch wären die Alterskennzeichnung und der Einsatz des Jugendschutzprogramms kein Muss gewesen. Technische Lösungen für den Umgang mit Inhalten im Internet zu finden, ist jedoch schwierig, es bedarf eines genauen Hinsehens hinsichtlich der Praktikabilität und der Verhältnismäßigkeit.

Was war daran problematisch:

  • Um eine Alterskennzeichnung (in den Stufen 0,6,12,16,18) vornehmen zu können, hätten alle Anbieter im Netz (jede private Homepage, jede Vereinsseite) zunächst entscheiden müssen, ob ihre Inhalte möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigend sind. Eine klare gesetzliche Definition gibt es dafür aber nicht. Viele waren also verunsichert.
  • Viele hatten Angst, bei Nicht-Kennzeichnung ins Visier der Ermittlungen zu geraten. Noch größer aber war die Sorge, dass das eigene Angebot über die Jugendschutzprogramme nicht angezeigt geworden wäre, wenn es kein Alterskennzeichen getragen hätte. Deshalb haben viele die Kennzeichnung eben doch als Pflicht verstanden – obwohl sie im Vertrag als freiwilliges Mittel dargestellt war.
  • Anbieter von web2.0-Angeboten (also Blogs, Foren; zB auch wikipedia) hätten ihr Gesamtangebot nur Alters kennzeichnen dürfen, wenn sie auch die fremden Inhalte bewertet (also kontrolliert) hätten. Umgehen können hätten sie diese Tatsache durch einen Beitritt zu einer freiwilligen Selbstkontrolle und deren Kodices (für viele mit zu hohen Beitragskosten -ab 4.000.- jährlich- verbunden). Die Vorabkontrolle fremden Inhalts ist aber eigentlich über das Telemediengesetz des Bundes ausgeschlossen.
  • Zertifizierte Jugendschutzprogramme gibt es noch nicht, weil die zuständige Kommission (KJM) an den eigenen Ansprüchen gescheitert ist. Bisherige private Programme genießen wenig Anerkennung/Nutzung in der Bevölkerung.

Wie weiter?

  • Keine Abwendung von der regulierten Selbstregulierung! Ein neuer Anlauf beim JMStV darf auf keinen Fall bedeuten, den  Jugendmedienschutz nun in staatliche Hände zu geben, indem Jugendschutzbehörden Sperrverfügungen erlassen. Dadurch wäre rein gar nichts gewonnen. Seit dem „Sperr-gesetz“ ist klar, dass solcherart Versuche verfassungsrechtlich höchst problematisch sind.
  • Mehr parlamentarische und öffentliche Beteiligung: Die aktuelle Debatte hat deutlich gemacht: so wichtige Fragen wie der Jugendmedienschutz dürfen nicht in den Hinterzimmern der Staatskanzleien ausgeklüngelt werden. Die Parlamente müssen endlich beteiligt werden. Außerdem gibt es eine aktive Netzgemeinde, die viel technisches Know-How mitbringt und sehr genau hinsieht. Hier müssen entsprechende Beteiligungsformen gefunden werden. Die Netzgemeinde ist ihrerseits aufgefordert, ihre Kritik in konstruktive Vorschläge umzuwandeln.
  • Verschiedene Rechte unter einen Hut bringen: Die Debatte hat gezeigt, wie unendlich schwierig es ist, Jugendschutz einerseits und Grundrechte, die auch im Netz gelten müssen andererseits unter einen Hut zu bringen und dabei verhältnismäßig und praktikabel zu bleiben. Die bedeutet für alle Beteiligten eine hohe Herausforderung.
  • Internationalität im Blick behalten: Bei allem darf die Internationalität des Netzes nicht aus dem Blick geraten. Nationale Lösungen helfen nur sehr begrenzt weiter.
  • Jugendmedienschutz ist mehr als Technik: Darüber hinaus ist klar: Technische Maßnahmen sind immer nur eine Krücke. Sie können und dürfen Eltern nicht von der Pflicht entbinden, hinzuschauen, zu begleiten  und verstehen zu lernen, was ihre Kids am PC so treiben.

Wir Grünen werden uns in den Überarbeitungsprozess konstruktiv auf allen Ebenen einbringen und uns der Herausforderung stellen, nach tragfähigen Lösungen zu suchen.

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