Solidarprinzip nicht aushöhlen

„Wir brauchen eine Gesundheitsvorsorge, die niemanden ausschließt – besonders arme Menschen nicht!“, fordert die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner. Die Realität aber ist: Immer mehr Gruppen, etwa EmpfängerInnen von Sozialleistungen oder Menschen ohne Wohnung, werden von der medizinischen Versorgung abgekoppelt. Das erfuhr Rößner beim Besuch des Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland e. V.“ in Mainz.

„Früher haben wir Brillen gesammelt, um sie nach Bangladesch zu schicken – heute brauchen wir sie für die Menschen hier“, sagt Gisela Bill, Geschäftsführerin des  Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland“. Dies ist eine Folge der Zuzahlungen, die gesetzlich versicherte Menschen bei medizinischer Versorgung leisten müssen. „Zwar gibt es Zuzahlungsbegrenzungen für Menschen mit geringem oder gar keinem Verdienst“, sagt Professor Dr. Gerhard Trabert, Arzt und Erster Vorsitzender des Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland.“ Die Zuzahlungen sowie das Streichen von Leistungen führten aber dazu, dass sich Menschen keine Brillen oder keinen Zahnersatz mehr leisten können. „Ich kenne Empfänger von Hartz IV, die am Monatsende nicht mal mehr ihr Asthmaspray bezahlen können.“

Zudem gibt es Situationen, in denen Menschen überhaupt nicht krankenversichert sind. Wird jemand zum Beispiel aus der Haft entlassen, dauert es bis zu sechs Wochen, bis er krankenversichert ist. „Dies ist problematisch, wenn die Menschen chronisch krank sind und dringend Medikamente oder eine Behandlung brauchen,“ berichtet Trabert. Eine zentrale Stelle wäre seiner Meinung nach besser. Rößner sagte zu, die Probleme in Berlin vorzutragen und die Arbeit des Bundestages einzubringen.

Das gelte auch für das Problem, dass Menschen mit geringem Einkommen zunehmend von wichtiger ärztlicher Versorgung ausgenommen werden, wie die Statistiken von „Armut und Gesundheit in Deutschland“ beweisen. So werden Fahrtkosten zum Arzt nicht übernommen. Familien mit geringem Einkommen würden mitunter deswegen ihre Kinder nicht zur frühkindlichen Untersuchung schicken. Zumal es in der Praxis so aussieht, wie Trabert schildert, dass sich Fachärzte seltener in Wohngegenden mit niedrigem Einkommens-Schnitt niederließen. So würden Krankheiten häufig nicht frühzeitig erkannt, präventive Maßnahmen kämen diesen Kindern oft nicht zugute.

„Wir müssen in Deutschland Chancengleichheit herstellen. Es darf nicht sein, dass Kinder aus armen Familien schon früh von Gesundheits-Versorgung ausgeschlossen werden. Das Prinzip der Sozialgesetzgebung ist es, vor allem auch Menschen mit geringeren finanziellen Ressourcen und chronisch Kranke mitzunehmen und keinen außen vor zu lassen“, sagt Rößner, selbst bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert. „Dieses Solidarprinzip darf nicht, wie Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler das plant, nach und nach ausgehöhlt werden“, meint Rößner abschließend.

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